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Kurz in Schredder-Affäre: Neue Erkenntnisse mitten im Österreich-Wahlkampf

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Von: Florian Naumann, Daniel Geradtz

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Kurz in Schredder-Affäre: Amtsvorgänger Kern droht mit Gericht - „Unrichtig und du weißt das“
Christian Kern (li, SPÖ) will seinem Nachfolger im österreichischen Kanzleramt, Sebastian Kurz (Mi.), Aussagen zur „Schredder-Affäre“ nicht durchgehen lassen. © AFP / HERBERT NEUBAUER

Vor der Abwahl wurden von der österreichischen Bundesregierung offenbar sensible Daten vernichtet. Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat sich nun zu dem Vorfall geäußert.

Update vom 2. September 2019: In Österreich sehen die Ermittler keinen Zusammenhang zwischen der Vernichtung von Festplatten aus dem Kanzleramt und dem Ibiza-Video, das im Mai zum Sturz der ÖVP-FPÖ-Regierung führte. Das berichtete die Zeitung „Die Presse“ unter Berufung auf einen Sprecher der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die Staatsanwaltschaft Wien werde nun überprüfen, ob abseits der Ibiza-Affäre strafrechtliche Delikte durch das Zerstören der Festplatten erfüllt worden seien, hieß es am Montag.

Die ÖVP und Kurz hatten immer wieder betont, dass es sich um einen normalen Vorgang im Vorfeld einer Amtsübergabe gehandelt habe. Auch die Vorgänger-Regierung habe beim Amtswechsel Daten vernichten lassen - Kurz‘ Amtsvorgänger Christian Kern bestritt dies jedoch vehement. 

Die Erkenntnisse der Behörden können im aktuellen Wahlkampf Ex-Kanzler Kurz bei der Abwehr der Unterstellung helfen, die Zerstörung der Datenträger sei ein verdächtiger Akt gewesen. Wie die Ermittler zu ihrer Schlussfolgerung kommen wurde zunächst nicht bekannt.

Kurz in Schredder-Affäre: Amtsvorgänger Kern droht mit Gericht - „Unrichtig und du weißt das“

Update 17.40 Uhr: Eine rätselhafte Daten-Schredder-Aktion bringt Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) unter Druck (siehe unten). Nicht nur, dass der Vorgang im Wahlkampf ein zweifelhaftes Licht auf Kurz wirft - nun droht auch noch Vorgänger Christian Kern (SPÖ) mit gerichtlichen Schritten. Er fordert Kurz in einem Brief dazu auf, Aussagen über die Amtsübergabe im Jahr 2017 zurückzunehmen.

In einem bemerkenswerten Facebook-Posting duzt Kern Kurz einerseits - zeigt sich aber auch empört und stellt seinem Nachfolger ein Ultimatum. Kurz habe ihm im ORF unterstellt, 2017 ebenfalls Festplatten des Bundeskanzleramtes geschreddert zu haben, schreibt Kern. Tatsächlich seien „sämtliche Akten und Unterlagen in gesetzeskonformer Weise behandelt“ worden. „Ein Schreddern von Festplatten fand nicht statt“, hält Kern fest.

„Deine Behauptung, Sebastian, die (Amts-)Übergabe von mir an Dich sei so verlaufen, wie dies in Hinblick auf die Zerstörung von Festplatten durch Deine Mitarbeiter kurz vor dem erfolgreichen Misstrauensantrag des Nationalrates gegen Dich erfolgt ist, ist daher unrichtig – und Du weißt das“, schreibt der Ex-Kanzler weiter.

Kurz solle nun „bis kommenden Montag“ eine Klarstellung vornehmen, fordert Kern. Die Erklärung solle die Aussage enthalten, dass „bei der Übergabe der Funktion des Bundeskanzlers durch mich an Dich keine zumindest bedenklichen, aber möglicherweise sogar strafrechtlich relevanten Datenlöschungen durch mich oder Mitarbeiter_innen meines Kabinetts stattgefunden haben“, schreibt er weiter - und gibt auf diese Weise nebenbei auch noch eine für Kurz unerfreuliche Einschätzung der Geschehnisse ab. Sollte Kurz der Aufforderung nicht folgen, werde er „gerichtliche Hilfe“ prüfen lassen, um seinen „guten Ruf zu wahren“, schließt Kern.

Erstmeldung: Österreich hat nun eine „Schredder-Affäre“ - Ex-Kanzler Kurz: „Das Absurdeste, was ich je gehört habe“

Sebastian Kurz rechtfertigt die Löschung der sensiblen Daten.
Sebastian Kurz rechtfertigt die Löschung der sensiblen Daten. © dpa / Hans Punz, Emily Wabitsch

Wien - Sebastian Kurz (ÖVP) ist seit Ende Mai nicht mehr der Bundeskanzler Österreichs - er stolperte über die Ibiza-Affäre des Koalitionspartners FPÖ. Österreich wird bei Nationalratswahlen im September ein neues Parlament wählen. Nun steht Kurz selbst in zweifelhaftem Lichte da: Unmittelbar vor dem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen Kurz hat ein Mitarbeiter des scheidenden Kanzlers fünf Drucker-Festplatten zerstören lassen. Im österreichischen Fernsehen hat Kurz diese Handlung nun verteidigt.

Ein Mitarbeiter hatte damals die Daten von einer Spezialfirma vernichten lassen - allerdings unter Angabe eines falschen Namens. Kurz sagte dazu: „Die Wahrheit ist, dass er das in guter Absicht gemacht hat.“ Der Hintergrund nach Angaben des Kanzlers a.D.: Die Zerstörung sollte bei einer externen Firma erfolgen, damit nicht der Eindruck entstehe, die Regierung rechne mit Ihrer Abwahl.

Ex-Bundeskanzler Kurz erklärt, welche Daten vernichtet wurden

Der Zeitdruck sei groß gewesen, weil der Bundeskanzler mit der Abwahl seine Amtsgeschäfte abgeben muss. Auch die Mitarbeiter des Kanzlers haben nach einem Misstrauensvotum keinen Zugang mehr zu ihren Arbeitsplätzen. Es hätte also im Nachgang nicht die Möglichkeit gegeben, sensible Daten zu zerstören.

Bei Servus TV erklärte Kurz am Donnerstag, was sich neben weiteren Daten auf den Festplatten befunden haben soll. „Wir haben ein halbes Jahr den Ratsvorsitz in der Europäischen Union gehabt. Auf diesen Druckern sind alle Protokolle aus dem Ratsvorsitz zum Beispiel ausgedruckt worden, die teilweise geheim sind.“

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Mitarbeiter von Kanzler Kurz hatte Rechnung nicht bezahlt

Die Ibiza-Affäre des damaligen Vize-Kanzlers Heinz-Christian Strache hatte eine Regierungskrise ausgelöst, die schließlich zum erfolgreichen Misstrauensvotum der Opposition geführt hatte. Spekulationen, wonach die Daten auf der Festplatte mit diesem Vorfall im Zusammenhang stehen würden, dementierte Kurz. “Das ist ja das Absurdeste, was ich je gehört habe“, sagte er.

Erst in den vergangenen Tagen war bekannt geworden, dass die Datenträger zerstört worden waren. Den Stein ins Rollen brachte das Bekanntwerden der Ermittlungen gegen den Mitarbeiter, der die Vernichtung veranlasst hatte. Das Spezialunternehmen, das die Vernichtung vorgenommen hatte, informierte die Polizei, weil die Rechnung über 76 Euro nicht bezahlt worden sei.

Ex-Kanzler will erst spät vom Vorfall erfahren haben

Der Ex-Bundeskanzler Österreichs sagte, er sei selbst nicht in die Aktion involviert gewesen und habe bis zum Bekanntwerden nichts über die Vorfälle gewusst. „Ich wusste es nicht. Ich habe es jetzt auch selbst erst in den USA erfahren", erklärte der Politiker. Er war in den letzten Tagen im Silicon Valley zu Gesprächen mit Firmenbossen in den USA.

Nach dem Wirbel um das Ibiza-Video und das Aus der Regierungskoalition von ÖVP und FPÖ gibt es in Österreich am 29. September Neuwahlen. Alle Infos dazu finden Sie in unserem Ticker zur Wahl in Österreich. Eine Neuauflage der Koalition könnte schon vorab scheitern - und zwar zumindest indirekt an der Identitären Bewegung. Denn die Verbindungen zwischen hochrangigen FPÖ-Mitgliedern zu den Rechtsextremen führen auch eine Woche vor der Wahl zu Grabenkämpfen zwischen den ehemaligen Partnern.

Video: Kurz-Mitarbeiter lässt Festplatten zerstören

dg/dpa

Österreich wählt am 29. September ein neues Parlament. Sebastian Kurz würde im Fall seiner Wiederwahl auch erneut mit der FPÖ koalieren - doch dafür macht er Vorgaben. Die Umfrageergebnisse zur österreichischen Nationalratswahl haben wir für Sie zusammengefasst. Ebenfalls bei uns finden Sie alle Fakten zur anstehenden Wahl in Österreich.  Wann das Ergebnis für die Nationalratswahl feststehen wird, erfahren Sie in unserem Artikel.

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