Das RS-Virus ist ein weltweit verbreiteter Erreger von Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege. Zwischen November und April kommt es häufig zu einem verstärkten Auftreten von Infektionen. Gerade Kleinkinder sind davon betroffen.
Seit Anfang November 2022 ist in Deutschland die Anzahl von Kindern, die an dem sogenannten RS-Virus erkrankt sind, deutlich gestiegen. Die akute Welle von Atemwegsinfekten bringt Kinderkliniken in Deutschland in teils dramatische Engpässe. Doch was steckt hinter dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) oder eben RS-Virus?
Das RS-Virus ist laut dem „Lungeninformationsdienst Helmholtz München“ ein weltweit verbreiteter Erreger von Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege. In Mitteleuropa treten RSV-Infektionen besonders oft zwischen November und April auf.
Bei wem tritt das RS-Virus besonders häufig auf?
Infektionen mit RS-Viren können in der Regel jeden treffen. Das Alter ist dabei nicht entscheidend. Dem Bericht des Lungeninformationsdienstes zufolge treten aber RS-Virus-Infektionen am häufigsten in den ersten zwei Lebensjahren auf. Demnach ist nach wissenschaftlichen Erfahrungen das RSV bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum Alter von zwei Jahren „der häufigste Auslöser von akuten Infektionen der unteren Atemwege“.
Behörde: | Robert Koch-Institut |
---|---|
Gründung: | 1. Juli 1891 |
Dachorganisation: | Bundesministerium für Gesundheit |
Hauptsitz: | Berlin |
Das Problem: besonders schwer verlaufen die Infektionen in den ersten drei Lebensmonaten. Dazu heißt es: „Frühgeborene, Kinder mit Vorerkrankungen der Lunge (zum Beispiel bronchopulmonale Dysplasie oder zystische Fibrose) sowie Kinder mit Herzfehlern haben ein besonderes Risiko für schwere RSV-Verläufe“. Nahezu alle Kinder haben aber den Experten nach bis zum Ende des zweiten Lebensjahres „mindestens eine RS-Virus-Infektion durchgemacht“. In einem Krankenhaus müssen deshalb etwa zwei Prozent behandelt werden. Bei älteren Kindern treten dagegen meist nur „leichte, erkältungsähnliche RS-Virus-Symptome“ auf.
Infektionszahlen zum RS-Virus
Wie ein Artikel im Handbuch für Medizin „MSD Manual“ beschreibt, verleiht eine Infektion aber „keine vollständige Immunität, sodass es häufig zu erneuten Infektionen kommt“. Weiter Erkrankungen mit dem RS-Virus haben dann aber weniger schwere Verläufe. Zu Epidemien kommt es in der Regel im Winter und im Vorfrühling.
Die Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigen hierzu:
- Innerhalb des ersten Lebensjahres haben 50 bis 70 Prozent und bis zum Ende des zweiten Lebensjahres nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht.
- Nach aktuellen Schätzungen kommen RSV-Atemwegserkrankungen jedoch weltweit mit einer Inzidenz von 48,5 Fällen und 5,6 schweren Fällen pro 1.000 Kindern im ersten Lebensjahr vor.
- Es zeigte sich, dass im Mittel 0,2 Prozent der Fälle bei Kindern ohne bekanntes erhöhtes Risiko, 1,2 Prozent bei Frühgeborenen, 4,1 Prozent bei Kindern mit bronchopulmonaler Dysplasie und 5,2 Prozent der Fälle bei Kindern mit angeborenem Herzfehler tödlich verliefen.
Der Erreger des RS-Virus
Der Erreger des RS-Virus gehört laut Lungeninformationsdienst zur selben Virenfamilie (Paramyxoviridae) wie jene Erreger, die auch Masern oder Mumps hervorrufen. Der Erreger ist weltweit verbreitet. Die Übertragung erfolgt demnach vor allem durch Tröpfcheninfektion und damit von einer infektiösen Person auf eine andere Person oder indirekt über kontaminierte Hände, Gegenstände oder Oberflächen.
Lipid
Lipide bezeichnet die Gesamtheit der Fette und fettähnlichen Substanzen. Lipide sind chemisch heterogene Substanzen, die sich schlecht in Wasser (Hydrophobie), gut dagegen in unpolaren Lösungsmitteln (Lipophilie) lösen.
Wie das RKI dazu schreibt, besitzt das Virus eine doppelschichtige Lipidhülle, in die Glykoproteine eingelagert sind, darunter ein Fusions- (F-) und ein Adhäsions- (G)-Protein. Des Weiteren gibt es laut Forschungsergebnissen zwei Gruppen von RSV, A und B, die sich in der Antigenstruktur des G-Proteins unterscheiden.
So funktioniert das Respiratorischen Synzytial-Virus
Die doppelschichtige Lipidhülle des RS-Virus kann laut Experten mit der Zellmembran der Wirtszelle verschmelzen. Auf diesem Weg wird das genetische Material des Virus in die Lungenzelle eingeschleust. Weiter heißt es: „Spezielle Eiweiße der Virusmembran führen darüber hinaus zum Verschmelzen benachbarter Zellen des Lungengewebes und damit zur Bildung von Riesenzellen mit mehreren Zellkernen (sogenannten Synzytien)“.
RS-Virus verbreitet sich stark – wichtige Informationen auf einen Blick




Im weiteren Verlauf der Infektion mit dem RS-Virus sorgen abgestorbene Zellen, einwandernde Zellen des Immunsystems und Schleim für eine Verstopfung in den Bronchien. Im Verlauf von vier bis acht Wochen regenerieren sich laut Bericht die geschädigten Lungenzellen jedoch wieder.
Das Robert Koch-Institut zur Übertragung des Virus
Die Forschung geht laut „Robert Koch-Institut“ bei der Übertragung davon aus, dass das RS-Virus in erster Linie durch Tröpfcheninfektion von einer infektiösen Person auf eine Kontaktperson übergeht. Dabei bilden Konjunktiven (Bindehäute) und Nasenschleimhäute die Eintrittspforte.
Es wird angenommen, dass eine Übertragung auch indirekt über kontaminierte Hände, Gegenstände und Oberflächen möglich ist. Weiter meldet das RKI: „RSV kann in respiratorischem Sekret 20 Minuten auf Händen überleben, 45 Minuten auf Papierhandtüchern und Baumwollkitteln und bis zu mehreren Stunden auf Einmalhandschuhen, auf Stethoskopen und auf Kunststoffoberflächen“.
Das RS-Virus: Inkubationszeit und Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Nach Angaben der Forschung kann man die Inkubationszeit, die Zeit bis zum Auftreten erster Symptome, auf zwei bis acht Tage, im Durchschnitt etwa fünf Tage, definieren. Ist man infiziert, kann man laut Lungeninformationsdienst bereits einen Tag nach der Ansteckung und damit noch bevor erste Symptome auftreten, infektiös sein.
Die Dauer der Ansteckungsfähigkeit beträgt dem Bericht zufolge in der Regel drei bis acht Tage und „klingt meist innerhalb einer Woche ab. Frühgeborene, Neugeborene und Menschen mit geschwächtem Immunsystem können das RS-Virus aber auch noch über mehrere Wochen, im Einzelfall sogar über Monate ausscheiden“.
Welche Symptome auftreten können
Beim Blick auf das Handbuch für Medizin „MSD Manual“ zeigt sich, dass RSV und hMPV zu ähnlichen Symptomen führen. 3 bis 5 Tage nach der Ansteckung beginnen Schnupfen und Fieber. Dem Artikel nach zeigen etwa die Hälfte der Kinder mit einer Erstinfektion „auch Husten und Keuchatmung, was auf eine Beteiligung der unteren Atemwege hindeutet“.
Das erste Symptom bei Kindern unter sechs Monaten kann ein Atemaussetzer sein (Apnoe). Manche Kinder – in der Regel junge Säuglinge – erleiden schwere Atemnot, und manche sterben. Bei gesunden Erwachsenen und älteren Kindern verläuft die Krankheit normalerweise leicht und zeigt sich nur als Erkältung.
RS-Virus und seine Symptome im Überblick:
- Schnupfen
- Husten oder Halsschmerzen
- Fieber
Infektionen mit dem RS-Virus bei Kleinkindern
Bei sehr jungen Kindern greifen RS-Virus-Infektionen in den ersten Lebensmonaten leicht von den oberen auf die unteren Atemwege über. Wie lungeninformationsdienst.de berichtet, sind die Atemwege von Säuglingen relativ eng und ihre Bronchiolen und ihr Lungengewebe bei RSV-Infektionen werden besonders in Mitleidenschaft gezogen.
Weiter heißt es: „Es kommt zur Entzündung der kleinen Endäste des Bronchialbaums (Bronchiolitis) und zur Lungenentzündung und selten auch zu Atemaussetzern (Apnoen). Aufgrund von physiologischen Veränderungen – wie etwa der zunehmenden Größe der unteren Atemwege – nimmt diese Gefahr mit zunehmendem Lebensalter ab“.
Die Diagnose beim RS-Virus
Wie das RKI zur Diagnostik schreibt, kann das klinische Bild und das Lebensalter einen Hinweis auf eine RSV-Infektion geben. „Zur Sicherung der Diagnose bedarf es jedoch eines Erregernachweises. Dieser sollte zeitnah erfolgen, um nosokomialen RSV-Infektionen wirksam vorzubeugen und therapeutische Entscheidungen zu treffen“.
Für den Nachweis von RSV eignen sich demnach, wie für andere virale Erreger von Atemwegserkrankungen Nasopharyngealsekret aus Nasenrachenspülwasser, -aspiration oder -abstrichen.
Vorbeugende Maßnahmen gegen eine Infektion
Im Handbuch für Medizin wird für vorbeugende Maßnahmen besonders auf gute Hygiene und die Möglichkeit zu Injektionen mit Palivizumab für Kinder mit hohem Risiko hingewiesen.
Palivizumab
Laut dem „Ärzteblatt“ ist Palivizumab in Deutschland zugelassen zur Prävention der durch das respiratorisch-syncytial Virus (RSV) hervorgerufenen schweren Erkrankungen der unteren Atemwege, die Krankenhausaufenthalte erforderlich machen,
– bei Kindern, die entweder in der 35. Schwangerschaftswoche oder früher geboren wurden und zu Beginn der RSV-Saison jünger als sechs Monate sind;
– außerdem bei Kindern unter zwei Jahren, die innerhalb der letzten sechs Monate wegen bronchopulmonaler Dysplasie behandelt wurden.
Palivizumab ist ein humanisiertes IgG und monoklonaler Antikörper, der das A-Epitop des Fusionsproteins des RSV-Virus bindet. Er ist aus 95 % humanen und 5 % murinen Antikörpersequenzen zusammengesetzt. Er besitzt eine neutralisierende und fusionsinhibitorische Aktivität gegenüber den beiden RSV-Untertypen A und B.
Eine gute Hygiene ist eine einfache, aber enorm wichtige Vorsorgemaßnahme. Dazu gehört, dass sich laut Handbuch das kranke Kind und alle Haushaltsangehörigen häufig die Hände waschen: „Je enger der körperliche Kontakt mit dem kranken Kind ist (durch Schmusen, Kuscheln oder Schlafen in einem gemeinsamen Bett), desto größer ist im Allgemeinen auch die Ansteckungsgefahr für die Familienmitglieder“.
Kein Impfstoff gegen das RS-Virus vorhanden: Mögliche Behandlungen
Zur Vorbeugung vor einer RSV- oder hMPV-Infektion gibt es derzeit keinen Impfstoff. Bestimmten Kindern mit einem hohen Risiko für eine schwere RSV-Infektion kann demnach einmal im Monat das RSV-Antikörper enthaltende Palivizumab gespritzt werden. Zu den Kindern mit einem hohen Risiko zählen dem Bericht nach Säuglinge und Kleinkinder mit schwerer Herz- oder Lungenerkrankung und/oder sehr unreife oder mit einem anderen hohen Risiko belastete Babys.
Mit Palivizumab behandelte Kinder müssen laut „MSD Manual“ seltener ins Krankenhaus, ob sich durch diese Behandlung jedoch schwere Komplikationen oder Todesfälle verhindern lassen, ist nicht eindeutig geklärt.
Therapie bei RS-Virus
Das RKI sieht in seinem Bericht zum RS-Virus keine wirksame kausale Behandlung der Infektion. Vielmehr heißt es: „Die Therapie ist symptomatisch und besteht in ausreichender Flüssigkeitszufuhr zur Sekretmobilisation und Freihalten des Nasopharynx mit NaCl-Nasenspülungen oder -tropfen“.
Im Handbuch der Medizin „MSD“ wird über Sauerstoff bei Atembeschwerden berichtet: „Kinder mit Atembeschwerden müssen im Krankenhaus behandelt werden. Je nach ihrem Zustand erhalten sie Sauerstoff und intravenöse Flüssigkeit. Ribavirin, ein antivirales Medikament, wird nicht mehr empfohlen, außer für Kinder mit stark geschwächtem Immunsystem“.
Positiv ist bei einer RS-Virus-Erkrankung, dass die meisten Kinder nicht in ein Krankenhaus eingewiesen werden müssen. Bei der Behandlung zu Hause können dem zufolge Schmerzmittel und Flüssigkeiten zur Vermeidung einer Dehydratation eingesetzt werden. Eltern sollten die Kinder zudem genau auf Anzeichen von Atembeschwerden oder Dehydratation überwachen.
Rubriklistenbild: © dpa/ Marijan Murat