Molnupiravir: Experte warnt vor heftigen Nebenwirkungen des Corona-Medikaments

Molnupiravir wurde in den USA fast nicht zugelassen. Ein Schweizer Experte warnt vor einem leichtsinnigen Umgang mit dem Medikament.
Der Blick der Wissenschaft verändert sich langsam. Nach den mRNA-Impfstoffen von Biontech, Moderna, dem Vektorimpfstoff AstraZeneca, den proteinbasierten Vakzinen Novavax* und Sanofi* sowie dem Totimpfstoff von Valneva* rücken jetzt immer stärker auch Corona-Medikamente in den Blickpunkt - so auch Molnupiravir. Die Tablette des US-amerikanischen Pharmaunternehmen Merck & Co. wird unter dem Markennamen Lagevrio vertrieben. Heftige Nebenwirkungen werden dabei gerne vergessen.
Bereits seit Januar 2022 können Ärzte in Deutschland das Corona-Medikament Molnupiravir (Lagevrio) an Patienten verschreiben. In Europa fehlt die Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) allerdings noch. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) war da etwas schneller*.
Molnupiravir: Notfallzulassung des Corona-Medikaments – Experte warnt
Auch in England sind die Tabletten gegen Corona bereits erhältlich. Ein Blick nach Amerika bremst die Freude über die zügige Freigabe jedoch massiv. Wie die Deutsche-Apotheker-Zeitung (DAZ) in einem Beitrag berichtet, hatte „das Beratergremium der US-Arzneimittelbehörde FDA die Notfallzulassung des COVID-19-Arzneimittels nur mit knapper Mehrheit empfohlen: mit 13 Stimmen für eine Zulassung und zehn dagegen“.
Zu dem Vorgang in den USA wird im Dezember 2021 auf der schweizer Plattform higgs.ch – einem unabhängigen Magazin für Wissen – der Professor für Molekulare Zellbiologie an der Universität Zürich, Urs Greber zitiert: „Der Entscheid des Beratergremiums hat mich sehr überrascht. Ich finde das ehrlich gesagt ziemlich unvorsichtig und nicht nachvollziehbar.“
Wirkungsweise des Corona-Medikaments Molnupiravir: Hier drohen Gefahren
Die DAZ beschreibt die Wirkungsweise von Molnupiravir wie folgt: „Molnupiravir und sein Metabolit (N4-Hydroxycytidin) ähneln von ihrer chemischen Struktur einem RNA- und DNA-Baustein. Diese Tatsache ist Voraussetzung für die antivirale Wirkung von Molnupiravir. Der Einbau dieses falschen Bausteins führt zu Fehlern in der RNA-Kette des Virus – also der Erbinformation von SARS-CoV-2 –, sodass dieses sich nicht weiter vermehren kann und auch nicht mehr überlebensfähig ist.“
Metaboliten
Metaboliten sind laut Definition Substanzen, die als Zwischenstufen oder auch Abbauprodukte von Stoffwechselvorgängen des Organismus entstehen. Es wird in der Biochemie in Anaboliten und Kataboliten unterschieden. Anaboliten sind Moleküle, die als Zwischenprodukt bei der Synthese auftreten. Kataboliten sind Substanzen, die beim Abbau von körpereigenen oder aus exogenen Quellen aufgenommenen Verbindungen entstehen.
Der higgs-Beitrag fasst es knapp zusammen: „Der Wirkstoff führt dazu, dass im Erbgut des Coronavirus ein falscher Baustein der RNA eingebaut wird. Dieser Vorgang passiert zufällig an unterschiedlichen Orten im viralen Genom (Erbgut). „Wenn das Genom viele Fehler enthält, kann der Kontrollmechanismus des Virus diese nicht korrigieren, die Vermehrung des Virus kommt zum Stillstand – die Infektion ist gestoppt“.“
Das Genom
Laut Definition ist das Genom - oder auch Erbgut eines Lebewesens oder eines Virus - die Gesamtheit der materiellen Träger der vererbbaren Informationen einer Zelle oder eines Viruspartikels. Die Erbinformation (Erbgut) kann dabei in einem Chromosom, einem ganzen Chromosomensatz oder eben auch direkt in Form von DNA oder RNA gespeichert werden.
Doch mit der „Einpflanzung“ von Fehlern im Erbgut des Virus können auch massive Probleme für den Patienten entstehen. Diese Folgen können große Auswirkungen auf den Körper haben.
Mögliche fehlerhafte Wirkung von Molnupiravir
Das Problem bei Molnupiravir entsteht, wenn laut Professor Urs Greber das Medikament eben nur wenige der erwünschten Fehler im Virus verursacht. Passieren könne dies dann, „wenn die Konzentration des Wirkstoffs in den Zellen tief ist – zum Beispiel, weil jemand vergisst, eine Tablette zu schlucken. In der Folge könnten die Korrekturmechanismen des Virus gewisse Fehler ausmerzen, aber andere vielleicht nicht, und das Virus würde sich weiter vermehren“.
Der Experte wird sehr deutlich: „Niemand kann sagen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür ist. Das ist potenziell gefährlich, weil man nicht weiß, welche Mutationen entstehen und was diese bewirken.“ Die Anwendung bleibt für ihn „mit Risiken behaftet und erhöht die Gefahr viraler Mutationen“.
Corona-Medikament: Die Nebenwirkungen – Mutation durch Molnupiravir
Mit der Art und Weise, wie das Corona-Medikament wirkt, bestehe laut Professor Urs Greber durchaus die Möglichkeit, dass Molnupiravir „die zelluläre Genaktivität verändern“ kann. Die Deutsche-Apotheken-Zeitung bestätigt in ihrem Bericht dazu solche Folgen: „Dies ließ sich in vitro, also im Reagenzglas, bereits nachweisen (unter anderem in Bakterien), in vivo bislang nicht (untersucht wurde dies unter anderem in transgenen Nagern).“
Dennoch wird das Risiko bei einer Behandlung mit Molnupiravir (Lagevrio) laut zahlreicher Wissenschaftler als eher gering eingestuft. Von einer Einnahme in der Schwangerschaft wird allerdings explizit abgeraten. Wie die DAZ meldet, liegen nicht-klinische Studien zur Reproduktionstoxikologie an männlichen und weiblichen Ratten, vorläufige Studien zur embryo-fetalen Entwicklung an Ratten und Kaninchen sowie eine Studie zur prä- und postnatalen (vor und nach der Geburt) Entwicklung bei Ratten vor.
Dabei wurden an Ratten in embryofetalen Entwicklungsstudien ein verringertes Körpergewicht des Fetus sowie äußere (Auge), viszerale (fehlende Niere, kardiovaskuläre Fehlbildungen) und skelettale Fehlbildungen (Abweichungen und Verzögerungen bei der Verknöcherung, erhöhtes Auftreten von Rippenfehlbildungen, Brustwirbel- und Lendenwirbelmissbildungen sowie Schädelfehlbildungen) festgestellt.
Nebenwirkungen von Molnupiravir: Knochen- und Knorpelfehlbildung
Die bisherigen Studien haben also gezeigt, dass die Anwendung des Corona-Medikaments Molnupiravir durchaus für Knochen und Knorpel nicht unproblematisch ist. In den Ausführungen dazu bezieht sich die DAZ auf eine dreimonatige Studie an Ratten. Hier wurden abnorme Knochen- und Knorpelbildung festgestellt, und Ratten- und Kaninchenföten zeigten in Studien zur embryo-fetalen Entwicklung eine verzögerte und nur unvollständige Verknöcherung.
Damit sind sich Experten und Hersteller gleichermaßen einig darüber, „dass Molnupiravir nicht für die Anwendung bei Patienten unter 18 Jahren zugelassen werden soll“. Für Professor Urs Greber steht für das Produkt des US-Herstellers zudem fest: „Der Gewinn des Medikaments ist eher klein.“ Außerdem erklärt er im higgs-Beitrag, er sehe dieses Medikament nicht als Gamechanger in der Pandemie.
Weitere Corona-Medikamente: Paxlovid und Atriva in der Entwicklung
Neben Molnupiravir (Lagevrio) wartete auch Paxlovid länger auf seine Zulassung. Ende Januar 2022 gab des dann von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) eine Empfehlung für eine „bedingte Marktzulassung“*. Ein Vergleich zwischen den beiden Produkten hat bereits für eine Tablette Vorteile gezeigt. Auch in Deutschland könnte mit Atriva bald ein Corona-Medikament* entwickelt werden. In Tübingen laufen bereits Studien. *echo24.de ist ein Angebot von IPPEN MEDIA.