„Der Nationalismus hat 1000 Jahre Vorsprung“: Maischberger debattiert die EU-Misere

„Ist Europa in Gefahr?“, will Sandra Maischberger wissen. An einer Stelle knallt es bei dem Thema dann fast.
Berlin - Elf Tage sind es noch bis zur Europawahl - und so einige sehen gehörige Brisanz im Urnengang. Mit den Worten, manche Beobachter glauben, die Wahl könne „der Anfang vom Ende der EU werden”, stellte TV-Talkerin Sandra Maischberger (52) das äußerst vielschichtige Thema am Mittwoch zur Debatte. In den gut 75 Minuten ihrer ARD-Sendung zeigten sich äußerst unterschiedliche Haltungen zur EU, viele Reibungspunkte – und an einer Stelle knallte es fast.
Welche Folgen hätte ein schlechtes Ergebnis von Union und SPD für die Große Koalition? Triumphieren die Populisten und bringen die EU-Institutionen ins Wanken? Oder bringt die Wahl den Durchbruch für dringend notwendige Reformen der Europäischen Union? Das waren die Fragen in der Sendung vom 15. Mai – und das die Gäste:
- Ex-EU-Kommissarin und Europa-Verfechterin Viviane Reding (68), konservativ
- Die polnische Journalistin und Europa-Kritikerin Aleksandra Rybińska, auch konservativ
- FDP-Spitzenkandidatin und Europa-Skeptikerin Nicola Beer (49)
- ZDF-Europa-Korrespondent Udo van Kampen (70), der schon jahrelang über die EU berichtet
- TV-Köchin Sarah Wiener (56), die bei der Europawahl für die Grünen in Österreich antritt
Maischberger-Talk: Woher kommt der neue Nationalismus in der EU?
Dirk Schümer von der Welt warnte eindringlich davor, den erstarkenden Nationalismus zu unterschätzen: "Der Nationalismus hat 1000 Jahre Vorsprung vor der EU, die es seit 50 Jahren gibt. Und das rächt sich jetzt.“ Die österreichische TV-Löchin und Grünen-Politikerin Sarah Wiener sagte zur Lage in Österreich: "Es ist billig, mit Populismus Politik zu machen.”
Ist die EU ein Regulierungs-Monster? Streit im ARD-Talk
„Migration kriegt ihr nicht auf die Reihe, aber ihr habt Zeit eine Tabelle zu erstellen, die den Bräunungsgrad der Fritten vorschreibt?”, fragte Maischberger – und schaute dabei Ex-Kommissarin Viviane Reding an. Auch Nicola Beer (FDP) äußerte im Laufe der Sendung: „Die EU mischt sich permanent in das Klein-Klein des Alltags ein!“ Und, in Anspielung auf die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs: „In der Welt der Digitalisierung ist die Stechuhr ein Problem!“
ZDF-Mann Udo von Kampen räumt allerdings mit einer Legende auf: Die Gurken-Krümmungs-Verordnung sei gar keine Idee der EU gewesen: „Das ist über 20 Jahre alt und wird immer noch aufgetischt.”
Warum ziehen die Europäer nicht an einem Strang?
Bei großen Themen, wie etwa einer gemeinsamen Außenpolitik, sei Europa nicht stark genug, erklärte Nicola Beer. "Ich vermisse eine europäische Stimme“, sagte die FDP-Politikerin. Auch Dirk Schümer wünschte sich in der Sendung einen “charismatischen Europa-Politiker”.
Maischberger-Talk: Rybinska gegen den Rest der Runde
Die polnische Journalistin Rybinska warf Brüssel und Berlin Bevormundung vor: "Man behandelt uns wie Kleinkinder." Nachdem Polens vorherige Regierung abgewählt war, ernannte sie zur eigenen Stimmensicherung drei neue Richter für den Obersten Gerichtshof. Diese äußerst umstrittene Justizreform rechtfertigte Rybinska nun bei „Maischberger” – doch Ex-EU-Kommissarin Reding ließ ihr das absolut nicht durchgehen. Der spannendste Schlagabtausch dieser Runde.
„Die Polen haben, um in die Europäische Union zu kommen, die Kopenhagener Kriterien unterschrieben. Und da ist die Rechtsstaatlichkeit eine Basis. Und bei der Rechtsstaatlichkeit gehört die Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere des Obersten Gerichtshofs, zu den Basiselementen dessen, was eine Demokratie macht“, konterte Reding.
Vor-und Nachteile der EU – Uneinigkeit im ARD-Talk
„Der Euro ist die zweitgrößte Weltwährung, also bitte nicht kleinreden”, erklärte Viviane Reding bei „Maischberger”. Und später: „Wenn wir unseren Kindern und Kindeskindern einen Kontinent übergeben wollen, wo die noch selber entscheiden können, wie sie leben und welches ihre Werte sind, dann brauchen wir ein starkes Europa, sonst werden wir untergebuttert."
Wiener argumentierte ähnlich: “Die EU gibt es nicht nur wegen des Handels, sondern auch wegen menschlichen Werten und der Ökologie.” "Man spricht zu wenig über die Vorteile, die die EU gebracht hat”, sagte auch Udo van Kampen. Die Vorzüge von Europa würden inzwischen als normal empfunden. Bei den größeren Themen wie Umwelt, Außenpolitik oder Sicherheit bekam er allerdings Gegenwind. Sein Kollege Dirk Schümer fragte nach den Toten im Mittelmeer: “Die EU regelt diese Problematik nicht, und das wird von den Leuten als sehr negativ empfunden.”
Was macht die Europawahl mit der Großen Koalition?
Die Abschlussfrage bei “Maischberger”. “Das Gerücht ist in Brüssel nicht totzukriegen, dass Frau Merkel nach der Europawahl vielleicht doch eine Funktion in Brüssel wahrnehmen wird“, sinniert Udo van Kampen. Kleiner Aufruhr in der Runde, Maischberger lacht. Damit endete ein Talk, der zumindest vieles woran es beim Thema Europa knirscht, gestreift hat.
Die Groko strauchelt. Journalist Steingart sorgt mit einer Aussage zu Neuwahlen bei Maschberger für Furore. Die brisante Info will er aus der CDU-Spitze haben. Kurz danach hat für Maischberger und ihr Team die Sommerpause begonnen - die einige Wochen dauern wird, zum Leidwesen ihrer Fans.