„Nussig, knusprig und lecker“: Frank Ochmann kocht Mehlwürmer und Grillen
Durch eine neue EU-Verordnung dürfen Insekten künftig in bestimmten Lebensmitteln beigemischt werden. Frank Ochmann ist der erste und bekannteste Insekten-Koch Deutschlands und kennt sich bestens mit den Tierchen aus.
Diese Nachricht hat für Aufsehen, Kettenmails und reichlich Diskussionsstoff gesorgt: Seit Januar dieses Jahres dürfen nun neben Wanderheuschrecken, Mehlwürmern und den Larven des Getreideschimmelkäfers auch gemahlene Hausgrillen Lebensmitteln beigemischt werden. Und zwar könnten sich die Tierchen in Zukunft unter anderem in Proteinerzeugnissen, Backwaren, Suppenpulvern und -konzentraten, Kartoffelprodukten, Snacks auf Maismehlbasis, Soßen, Fleischzubereitungen, Fleischanalogen und Schokoladenerzeugnissen finden.
„Es ist höchste Zeit für diese Zulassung“, sagt Frank Ochmann, gelernter Koch und Godfather der Insektenküche in Deutschland. Vor über zwanzig Jahren hat der Berliner die Krabbeltierchen „aus einer Grauzone“ auf die Teller der Deutschen gebracht. Heute stehen sie im Supermarkt-Regal. Im exklusiven echo24.de-Interview berichtet der 57-Jährige von mehr als zwei Jahrzehnten Erfahrung im Kochen mit Insekten, analysiert die aktuelle Entwicklung und stellt Prognosen für unsere Ernährung auf.
Insekten laut Koch Frank Ochmann für viele überraschend lecker
Frank Ochmann ist der erste und bekannteste Insekten-Koch Deutschlands. Heute schickt er mit seinem mobilen Street-Food-Stand zwar niemanden mehr zur Dschungel-Prüfung, aber dafür auf eine abenteuerliche kulinarische Reise. „Am Anfang halten die Leute gerne übertrieben viel Abstand von meinem Stand“, erzählt der sympathische Berliner mit der tiefen Stimme und dem ansteckenden Lachen.
„Die lesen dann mit Zitronengesicht, eineinhalb Metern Abstand, auf den Zehenspitzen und nach vorne gebeugt die Speisekarte. Dann frage ich manchmal scherzhaft: ‚Seid ihr jetzt etwa kurzsichtig?‘“ Doch wenn die Leute erst einmal die Insekten probierten, ändere sich alles, erklärt Ochmann.
„Wenn die eigene Befangenheit einmal überwunden und Aufklärungsarbeit geleistet ist, weicht das Zitronengesicht einem überraschten ‚Lecker!‘.“ Heuschrecken, Mehlwürmer, Grillen und Co. schmeckten nämlich angenehm „nussig, knusprig und lecker“, plaudert der Insektenkoch aus dem Nähkästchen.

Bei Ochmann gehen Geschmack und Optik nicht unter – „man soll sehen: Das sind Insekten.“
Ochmann arbeitet unter anderem in Forschungsfragen mit der Humboldt-Universität, war bei der grünen Woche des BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) engagiert, referiert bei Firmenevents oder organisiert Verkostungen bei Street-Food-Festivals. „Wenn die Menschen zu mir kommen, wollen sie keine Kartoffeln essen. Deshalb gehen meine Insekten auch nicht in Couscous, Reis oder Soßen unter, sondern es gibt den puren Geschmack. Auch die Optik spielt eine Rolle: Man soll sehen: Das sind Insekten.“
Mehlwürmer mit Meersalz und Limette von Frank Ochmann
Diese Proteinbomben schmecken wie Erdnussflips mit salziger und leicht fruchtiger Note. Die Mehlwürmer harmonieren hervorragend mit einem frischen Salat, können aber auch pur geknabbert werden.Für dieses schnelle und einfache Rezept können sowohl frische als auch gefriergetrocknete oder gefrorene Mehlwürmer verwendet werden. Besonders gut geeignet für „Insekten-Einsteiger“.
Zutaten: Mehlwürmer, natives Olivenöl, weißer Pfeffer, Fleur de Sel, eine Limette
1. Natives Olivenöl auf mittlerer Stufe erhitzen. Mehlwürmer hinzugeben und zwei bis drei Minuten braten, bis sie schön knusprig sind und aufsplitten.
2. Mit weißem Pfeffer und Fleur de Sel würzen.
3. Mit Limettensaft abschmecken.
Ochmann bewegte sich auf der Suche nach etwas neuem in einer gesetzlichen Grauzone
Doch wie entstand überhaupt Ochmanns Leidenschaft für die Krabbeltiere auf dem Teller? Vor über zwanzig Jahren hat der Koch bei einem Berliner Clubrestaurant gearbeitet. Irgendwann war ihm klar: Etwas Neues, etwas Ausgefallenes muss her. „Dann habe ich mir so meine Gedanken gemacht“, erzählt der Vater einer Tochter. Bald darauf wurde Ochmann klar: „Ich werde mit Insekten kochen.“
Eine absolute Sensation. Fernsehsender und Zeitungen schlagen sich um den experimentierfreudigen Koch – das Restaurant ist weit im Voraus ausgebucht. „Am Anfang haben wir uns in einer gesetzlichen Grauzone bewegt“, erklärt Ochmann. „Das hat hier in Deutschland eben noch niemand zuvor gemacht.“ Auch bei der Beschaffung der Krabbeltiere sei damals noch deutlich mehr Kreativität gefragt gewesen.

Insekten-Verkostung – Neckarsulmer sind „offen und neugierig“
2014 besuchte der Insektenkoch das Auditorium in Neckarsulm. Auf dem Plan stand neben einem Vortrag auch eine exklusive Insekten-Verkostung. „Die Neckarsulmer waren sehr gut drauf, sehr offen und neugierig.“
Der jahrzehntelange Erfolg spricht für Ochmanns exotische Küche. Dieser stellt klar: „Ich stehe zu meinen Prinzipien und lasse mich nicht manipulieren.“ In die Industrie wolle er nicht. Obwohl er der Öffnung des Lebensmittelmarktes prinzipiell positiv gegenüberstehe und auch die neue EU-Zulassung positiv sehe, sei es wichtig, sachlich und differenziert zu bleiben, sagt der Experte.
Ochmann warnt vor einseitiger Ernährung – Ausgewogenheit ist der Schlüssel
Im selben Atemzug warnt Ochmann vor Extremen: „Wenn aus diesem Trend resultieren würde, dass die Menschen nun statt Fleisch haufenweise Insekten essen würden, bedeutete das im Umkehrschluss, dass wir wieder weitere Monokulturen schaffen. Monokulturen zerstören Ökosysteme. Das würde schlussendlich den Planeten weiter schädigen und wäre auch keine gute Lösung.“

Wichtig sei, „die Balance zu halten“ zwischen ausgewogener Agrarwirtschaft und den Profitinteressen von Investoren, die bei dem Geschäft mit den Insekten eine Goldgrube witterten. „Die Insekten nahrungsergänzend zuzuführen, finde ich völlig okay“, resümiert Ochmann.
Auch wenn Insekten Essen gerade im Gespräch ist – Thema „wird eine Nische bleiben.“
„Was die Zulassung von Insekten angeht, hat Deutschland übrigens über Jahre geschlafen“, fährt der Insektenkoch fort. „In Dänemark, Holland, Frankreich und Spanien waren schon viel früher Züchter am Start.“ Nichtsdestotrotz warnt der Koch mit mehr als vierzigjähriger Praxis Restaurantbesitzer davor, „auf den Zug zu springen, nur weil das Thema Insekten gerade hip ist“. Gerade sei das Thema „Insekten im Essen“ „in der Presse sehr präsent, weil sich die Bestimmungen geändert haben. Das wird in den nächsten Wochen sicherlich abebben.“ Ochmann prognostiziert: „Das Thema Insekten im Essen wird eine Nische bleiben.“