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Inflation auf Höchststand seit rund 70 Jahren – Pleitewelle befürchtet

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Von: Lisa Klein, Michaela Ebert

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Energie- und Lebensmittelpreise explodieren: Erstmals seit den Nachkriegsjahren erreicht die Inflation in Deutschland die 10-Prozent-Marke. Experten befürchten eine Pleitewelle.

Die Verbraucherpreise im September sind gegenüber dem Vorjahresmonat sprunghaft um 10,0 Prozent gestiegen. Seit Monaten sind Energie und Lebensmittel die größten Preistreiber. „Zudem haben das Auslaufen von 9-Euro-Ticket und Tankrabatt den Preisauftrieb im September 2022 verstärkt“, erläuterte Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes. Beide Maßnahmen waren bis Ende August befristet. Immerhin das 49-Euro-Ticket ist inzwischen beschlossen, als Nachfolger für das 9-Euro-Ticket.

Diese Kosten sind für Verbraucher im September 2022 besonders stark gestiegen

Abwehrschirm von 200 Milliarden Euro soll Verbraucher und Unternehmen unterstützen

Um Verbraucher und Unternehmen wegen der stark steigenden Energiepreise zu unterstützen, hat die Bundesregierung einen Abwehrschirm von bis zu 200 Milliarden Euro angekündigt. Davon soll auch die geplante Gaspreisbremse finanziert werden. Diese dämpft laut Prognose des Bundeswirtschaftsministeriums den Anstieg der Verbraucherpreise im kommenden Jahr. Die Bundesregierung rechnet mit einer Inflationsrate von durchschnittlich 8,0 Prozent im laufenden Jahr und von 7,0 Prozent im kommenden Jahr.

Was bedeutet eigentlich Inflation?

Inflation steht auch für Preissteigerungsrate oder Teuerung. Sie bezeichnet damit den Anstieg eines Preisniveaus innerhalb eines Wirtschaftssystems. Hohe Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, diese können sich somit für einen Euro weniger leisten.

Das Statistische Bundesamt bestätigte vorläufige Daten, die Ende September bekannt gegeben worden waren. Im August war noch eine Jahres-Teuerungsrate von 7,9 Prozent verzeichnet worden. Die Menschen müssen sich nach Einschätzung von Volkswirten zunächst auf weiter hohe Inflationsraten einstellen.

„Auch im kommenden Jahr wird die Inflationsrate hoch bleiben. Ich halte es für wahrscheinlich, dass zum Jahresende eine 7 vor dem Komma stehen wird“, sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel. Finanzminister Christian Lindner bezeichnete die Inflation ebenfalls als „größte Gefahr für unser wirtschaftliches Fundament“.

Mehr Insolvenzen als verzögerte Auswirkung der Krise? Finanzielle Lage könnte sich zuspitzen

Der Geschäftsführer der Wirtschaftsauskunftei Crif in Deutschland, Frank Schlein, hält wegen der steigenden Kosten auch eine Verschuldungswelle in Europas größter Volkswirtschaft für möglich. Auf Dauer führe weniger Einkommen erst in die Überschuldung und dann möglicherweise in die Privatinsolvenz. Die finanzielle Situation vieler Menschen bleibe durch die steigenden Miet- und Energiepreise angespannt.

„Gerade für finanz- und einkommensschwache Haushalte wird sich die finanzielle Lage zuspitzen – auch weil die finanziellen Reserven durch Einbußen in der Corona-Pandemie aufgebraucht worden sind“, erläuterte Schlein. Wirtschaftliche Krisen wirkten sich allerdings verzögert auf die Verbraucher aus.

Laut einer YouGov-Umfrage im Auftrag der zum Deutsche-Bank-Konzern gehörenden Postbank legt jeder Zweite (53,9 Prozent) derzeit weniger Geld auf die hohe Kante oder kann aktuell gar nichts sparen, weil die stark gestiegenen Ausgaben zum Beispiel für Energie das Haushaltsbudget aufzehren.

Im Vergleich zu den ersten drei Quartalen 2019 – also dem Zeitraum vor der Gesetzesreform und vor Corona – wurden 11,8 Prozent mehr Privatinsolvenzen gezählt. Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern wurden Raten von 10 Prozent und mehr Anfang der 1950er Jahre gemessen, allerdings hat sich die Berechnungsmethode im Laufe der Zeit geändert. Crif rechnet in diesem Jahr mit 100.000 Privatpleiten in Deutschland, nach 109.031 Fällen im vergangenen Jahr. 2023 sei ein Anstieg auf bis zu 120.000 Insolvenzen möglich.

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