Scharfe Kritik an China: EU und Japan üben Schulterschluss

Menschenrechte, Geopolitik, Lieferketten und Ukraine-Krieg: Beim EU-Japan-Gipfel in Tokio drehte sich vieles um China.
München/Tokio – Als Olaf Scholz Ende April nach Tokio flog, sprach er davon, dass es „kein Zufall“ sei, dass ihn seine erste Reise als Bundeskanzler in die Region nach Japan führe. Es war in der Tat ein Zeichen voller Symbolkraft – ein Wink an Tokio, aber auch an Peking. Denn Scholz‘ Vorgänger, Angela Merkel und Gerhard Schröder, waren stets zuerst nach China geflogen. Doch während Japan die Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs mitträgt, beharrt Peking weiter auf seiner „felsenfesten Freundschaft“ zu Moskau. Sein Besuch, so Scholz, sei „ein klares politisches Signal, dass Deutschland und die Europäische Union ihr Engagement in der Indopazifikregion fortsetzen und intensivieren wollen“. Japan lobte der Kanzler als „Wertepartner“; China erwähnte er nach dem Treffen mit keinem Wort.
Am Donnerstag (12. Mai) setzten nun EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel Scholz‘ Kurs fort. Sie waren ebenfalls nach Tokio gereist und trafen sich dort mit Regierungschef Fumio Kishida zum 28. EU-Japan-Gipfel. Japan gilt als wichtigster Verbündeter der EU in der Region. Anders als noch beim Scholz-Besuch war Peking aber nicht mehr der Elefant im Raum, den jeder sieht, aber nicht erwähnt. vielmehr sprachen die EU-Vertreter die Rolle Chinas offen an.
EU und Japan: Russlands Pakt mit China ist „direkteste Bedrohung für die Weltordnung“
So sagte von der Leyen, Russland sei „heute mit seinem barbarischen Krieg gegen die Ukraine“ und „seinem beunruhigenden Pakt mit China“ die „direkteste Bedrohung für die Weltordnung“. Und als sie verkündete, Japan und die EU wollten eine vertiefte Partnerschaft mit Fokus auf Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit eingehen sowie bei Digitalisierung und der Produktion von Halbleitern zusammenarbeiten, war auch das ein Gruß an Peking. „Wir müssen uns auf vertrauenswürdige Lieferketten verlassen können“, so von der Leyen. Eben diese Lieferketten sind derzeit empfindlich gestört - nicht nur wegen des Kriegs in der Ukraine, sondern auch wegen Pekings gnadenloser Null-Covid-Politik. In Shanghai, das seit Anfang April unter einem knallharten Lockdown steht, stauen sich im Hafen die Containerschiffe.
In Anspielung auf China sagte von der Leyen, Japan und die EU müssten bei Infrastrukturinvestitionen in der Region zusammenarbeiten. Investitionen hätten „oft einen Preis, den niemand zahlen sollte“, zum Beispiel „Eingriffe in die Souveränität“. Wer will, kann das als direkte Kritik an Pekings Neuer Seidenstraße verstehen. Die EU setzt dem Mammut-Projekt Chinas ihre eigene Global Gateway-Initiative entgegen.
EU und Japan: „Konsultationen über ein selbstbewussteres China“
Sowohl von der Leyen als auch Michel betonten in Japan die Wichtigkeit der Indopazifik-Region für die weltweite Sicherheit. Michel sagte, dass die EU und Japan ihre „Konsultationen über ein selbstbewussteres China vertiefen“ wollten. Die EU, so von der Leyen, wolle „eine aktivere Rolle im Indopazifik“ spielen. Die Weltgegend, die sich von der Ostküste Afrikas über den indischen Subkontinent bis nach Hawaii erstreckt, sei zwar eine „blühende Region“, aber auch ein „Schauplatz von Spannungen“.
Dabei verwies von der Leyen auch auf „die Situation im Ost- und Südchinesischen Meer“. Dort macht China hochumstrittene Gebietsansprüche geltend, die nicht zuletzt auch Japan berühren. Im gemeinsamen Abschlussstatement erwähnten die EU und Japan explizit die Senkaku-Inseln, die von Japan verwaltet werden – die aber auch China für sich beansprucht und Diaoyu-Inseln nennt.
EU und Japan: Austausch auch über Menschenrechte in China
Auch das Thema Menschenrechte sparten beide Seiten nicht aus. „Wir werden unseren Austausch über China vertiefen, insbesondere im Hinblick auf die politische, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Dynamik, einschließlich der Lage in Hongkong, sowie über die Menschenrechte, auch in Xinjiang“, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme. In Hongkong, wo vor wenigen Tagen mit John Lee ein Peking-teuer Hardliner zum neuen Regierungschef bestimmt wurde, geht die Regierung mit harter Hand gegen die verbliebenen Reste der Demokratiebewegung vor. In Xinjiang hält China Berichten zufolge Hunderttausende Mitglieder der uigurischen Minderheit in Umerziehungslagern gefangen.
Die Taiwan-Frage müsse „friedlich“ gelöst werden, heißt es weiter. Peking betrachtet Taiwan als Teil des eigenen Staatsgebiets und droht mit der militärischen Eroberung der demokratisch regierten Insel. Der russische Angriff auf die Ukraine hatte zunächst Befürchtungen ausgelöst, China könnte sich zu einer baldigen Invasion ermuntert fühlen. Kishida betonte nun, der Ukraine-Krieg sei „nicht nur eine Angelegenheit Europas, sondern erschüttert den Kern der internationalen Ordnung, einschließlich Asiens“ und dürfe „nicht toleriert“ werden. (sh)