„Bahn wochenlang lahmlegen“: Verhandlungen gescheitert – neue Streikwelle droht
Weitere Warnstreiks bei der Bahn sind nach der letzten Tarifrunde sehr wahrscheinlich. Beide Seiten schieben sich die Schuld für die festgefahrene Situation zu – und die Fahrgäste müssen um ihre Reise bangen.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) droht im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn mit mehrtägigen Warnstreiks. „Wir könnten die Bahn wochenlang lahmlegen“, sagte Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay der „Süddeutschen Zeitung“. Beide Seiten werfen sich erneut vor, nicht an ernsthaften Verhandlungen interessiert zu sein.
Bahnchef Richard Lutz forderte die EVG auf, „die Verhandlungen unverzüglich fortzusetzen und die Tarifrunde nicht weiter in die Länge zu ziehen“. „Unsere Mitarbeiter erwarten Geld, unsere Fahrgäste erwarten Lösungen“, sagte Lutz vor Journalisten in Berlin. Worauf müssen sich Reisende einstellen, wenn die Verhandlungen erneut scheitern?
Deutsche Bahn beendet letzte Verhandlungsrunde – Gewerkschaft droht mit „Streiks und massiven Auswirkungen“
Die nächsten Warnstreiks würden länger dauern, so Ingenschay. „Die Auswirkungen müssen offenbar massiver sein, damit es dem Arbeitgeber weh tut.“ Denkbar sei, dass die EVG nacheinander in verschiedenen Regionen Aktionen startet. Oder dass Zugbegleiter und andere Berufsgruppen abwechselnd streiken. Aber das seien alles nur Denkmodelle. „Das System Bahn ist so fragil, wenn wir da ein paar Stellwerke rausnehmen, bricht alles zusammen“, sagte Ingenschay.
Seit Ende Februar verhandelt die EVG mit dem bundeseigenen Konzern über einen neuen Tarifvertrag. Die bislang letzte Verhandlungsrunde hatte die DB am Mittwoch für beendet erklärt, wie die „Deutsche Presse-Agentur“ (dpa) berichtet. Als Grund nannte das Unternehmen die Weigerung der Gewerkschaft, über das neue Angebot der Bahn für die rund 180.000 Beschäftigten zu verhandeln.
Das Angebot sieht neben einem steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleich von insgesamt 2.850 Euro eine stufenweise Erhöhung ab März kommenden Jahres um insgesamt zehn Prozent für die unteren und mittleren Lohngruppen sowie acht Prozent für die oberen Lohngruppen vor.
Gewerkschaft lehnt Bahn-Angebot ab und fordert mindestens 650 Euro mehr im Monat
Die Gewerkschaft weist das Angebot als nicht verhandlungsfähig zurück. Sie fordert mindestens 650 Euro mehr im Monat oder zwölf Prozent für die oberen Einkommensgruppen und eine Laufzeit von einem Jahr. Der nächste Verhandlungstermin ist Ende Mai.
Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, wurde der Tarifkonflikt bereits von zwei Warnstreiks begleitet. Im März legte die EVG gemeinsam mit Verdi für einen Tag weite Teile des Verkehrs lahm, betroffen waren neben der Bahn auch zahlreiche Flughäfen und teilweise der kommunale Nahverkehr. Vor einer Woche streikten die Bahn-Beschäftigten erneut acht Stunden lang. Die DB musste den Fernverkehr stundenlang einstellen, auch im Nah- und Regionalverkehr fuhr kaum ein Zug.
Deutsche Bahn wirft Gewerkschaft „Verweigerungshaltung“ vor
DB-Chef Lutz hält dagegen und betont, dass das aktuelle Arbeitgeberangebot das höchste der Konzerngeschichte sei. „Damit haben wir unser erstes Angebot mehr als verdoppelt und uns einen riesigen Schritt auf die Gewerkschaft zubewegt.“ Die EVG agiere mit einer Verweigerungshaltung, „die weder sinnvoll noch nachvollziehbar“ sei. „Da stellt sich die Frage: Was denn noch?“
Ein Knackpunkt in den Verhandlungen ist der Mindestlohn. Rund 2.000 Beschäftigte erhalten ihn bislang nur über Zulagen, weil der gesetzliche Mindestlohn in den vergangenen Jahren schneller gestiegen ist als die Tariflöhne. „Bevor wir verhandeln, muss der gesetzliche Mindestlohn von zwölf Euro in der Lohntabelle verankert werden“, so Ingenschay. „Sonst sind die zehn Prozent Lohnerhöhung für die rund 2.500 Beschäftigten gleich wieder weg.“ Das berichtete unter anderem auch die „tagesschau.de“.
Die Bahn lehnt es dagegen ab, die Mindestlohnthematik vorab zu klären, bevor dann in die eigentlichen Tarifverhandlungen eingestiegen wird. Sie bietet stattdessen 13 Euro je Stunde, will diese aber erst ab August 2024 in die Tabellen aufnehmen.