Brexit von A bis Z: Die wichtigsten Fakten zum EU-Austritt im Überblick

Backstop, No Deal und Yellowhammer. Der Austritt der Briten aus der EU gestaltet sich kompliziert. Der Brexit einmal durchdekliniert von A bis Z.
London - Das britische Unterhaus hat mit einer historischen Abstimmung endgültig einen Strich unter die jahrelangen Brexit-Querelen gezogen: Drei Wochen vor dem geplanten EU-Austritt stimmte das Parlament Anfang Januar 2020 abschließend für das Brexit-Gesetz von Premierminister Boris Johnson. 330 Abgeordnete unterstützten den von der Regierung vorgelegten Gesetzestext zum Austrittsvertrag mit der EU, 231 stimmten dagegen. Nach der Entscheidung brach Jubel im Unterhaus aus.
Doch mindestens ein knappes Jahr lang bleiben noch viele Fragen offen - es wird weiter verhandelt und gestritten werden. Um Bürger umfassend über den Brexit zu informieren, stellte nun auch die deutsche Bundesregierung eine Sammlung mit häufig gestellten Fragen zum Brexit zusammen.
Brexit: Was das Austrittsabkommen vorsieht
A wie ATOMMÜLL: Mit dem Brexit tritt Großbritannien auch aus der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) aus. Dabei geht es neben der Versorgung von Kraftwerken und medizinischen Einrichtungen mit spaltbarem Material auch um die Zuständigkeit für Atommüll. Für ihn ist laut Vertrag das Land zuständig, in dem das Material erzeugt wurde.
B wie BACKSTOP: Diese Notfallregel im Austrittsabkommen zwischen London und Brüssel sollte garantieren, dass es nach dem Brexit keine Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland gibt. Mittlerweile ist sie passé: Die britische Provinz kommt in eine Zollunion mit Großbritannien. Bei Gütern von außerhalb Europas, die auch in die EU gelangen könnten, müssen die britischen Behörden EU-Zölle erheben. Nordirland wendet zudem weiter Regeln des EU-Binnenmarktes an, um Grenzkontrollen zum EU-Mitglied Irland zu vermeiden. Dazu gehören Produkt- und Hygienestandards oder Vorgaben für Tier- und Lebensmittelkontrollen. Nordirlands Parlament darf alle vier Jahre entscheiden, ob es die Vereinbarung fortführt.
C wie CITY OF LONDON: Der Finanzplatz ist einer der wichtigsten Motoren der britischen Wirtschaft. Nach dem Brexit müssen sich Banken höchstwahrscheinlich umorientieren, die Finanzmärkte werden nach dem Brexit* sicher etwas anders geordnet. Um ihre Dienstleistungen in der EU anbieten zu können, benötigen sie ein Standbein in einem Mitgliedsstaat. Auch Frankfurt buhlt um die Jobs.
Brexit: Wie viel die Briten weiter an die EU bezahlen müssen
D wie DAS LIEBE GELD: Großbritannien muss laut Brexit-Abkommen alle Finanzverpflichtungen erfüllen, die es während seiner Mitgliedschaft eingegangen ist - auch wenn diese über das Austrittsdatum und die Übergangsphase* hinausreichen. Eine genaue Summe ist noch nicht festgelegt, sondern nur eine Berechnungsmethode. Im Oktober schätzte die britische Behörde für Haushaltsverantwortung (OBR) die verbleibende Summe auf 42,2 Milliarden Euro.
E wie EU-BÜRGER: In Großbritannien leben gut drei Millionen Menschen aus anderen EU-Staaten, in der EU mehr als eine Million Briten. Sie haben das Recht zu bleiben, zu arbeiten oder zu studieren. Auch Ansprüche bei Krankenversicherung, Renten und sonstigen Sozialleistungen werden garantiert - selbst wenn die Bürger in ein anderes Land umziehen. Dasselbe gilt für Bürger, die während der Übergangsphase ankommen.
F wie FISCHEREI: Ausgerechnet das Thema Fischerei wird zur ersten Nagelprobe bei den dem Brexit folgenden Verhandlungen von EU und Großbritannien. 2020 müssten verschiedene Abkommen vereinbart und ratifiziert werden, warnten die deutschen Hochseefischer Anfang Januar. „Wir sehen die große Gefahr, dass es doch noch zu einem harten Brexit* kommen kann“, hieß es. Die EU bereite mit besonderem Hochdruck ein Fischereiabkommen vor: „Bis zum 1. Juli soll der Rahmen stehen.“ Aber auch bei anderen Themen stellt sich die Frage nach den Auswirkungen des Brexit auf Deutschland*.
Brexit: Wie läuft der Handel nach dem Austritt Großbritanniens ab?
G wie GIBRALTAR: Auf das britische Gebiet im Süden der iberischen Halbinsel erhebt auch Spanien Anspruch. In einem Protokoll des Austrittsvertrags wird geregelt, dass tausende Pendler aus Spanien weiter problemlos in Gibraltar arbeiten können - und wie mit Steuerfragen oder Fischereirechten umgegangen wird. London und Brüssel sichern zu, vor Vereinbarungen zu den künftigen Beziehungen, die das Gebiet betreffen, die Zustimmung Spaniens einzuholen.
H wie HANDELSABKOMMEN: EU und Großbritannien wollen in der Übergangsphase (siehe Ü) "umfassende Vereinbarungen zur Schaffung einer Freihandelszone" aushandeln. Nach einer das Austrittsabkommen begleitenden "politischen Erklärung" wird eine Vereinbarung "ohne Zölle, Gebühren, Abgaben oder mengenmäßige Beschränkungen" angestrebt. Von London werden im Gegenzug Garantien für faire Wettbewerbsbedingungen gefordert. Die britische Regierung darf ihrerseits bereits Abkommen mit Drittstaaten im Handelsbereich schließen, sofern diese erst nach der Übergangsphase in Kraft treten. Bei den Verhandlungen ist ein enger Zeitplan einzuhalten, wie bei Merkur.de* nachzulesen ist.
I wie IRLAND: Irland bleibt beim Brexit im Fokus: Der ausgehandelte Brexit-Vertrag garantiere, dass es keine harte Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland gebe, freute sich Premier Leo Varadkar Ende 2019. Nun braucht das Land gerade wegen seiner Nähe zu Nordirland aber auch ein tragfähiges Handelsabkommen. Varadkar hat für 2020 Neuwahlen angekündigt.
Brexit: Was wird nun aus Nordirland?
J wie JOHNSON, BORIS: Boris Johnson versprach als Nachfolger von Theresa May* den Briten den Brexit - und wurde zum großen politischen Sieger der Brexit-Krise. Johnson fand gerade in der von Labour enttäuschten britischen Arbeiterschaft mit populistischen Thesen Gehör. Johnson könnte nun mit dem anderen großen Populisten dieser Tage im Duett Politik machen. Donald Trump gehörte zu den ersten, die Johnson zum Wahlerfolg gratulierten.
K wie KARFREITAGSABKOMMEN: Mit dem Vertrag zwischen Großbritannien, Irland und mehreren wichtigen Parteien in Nordirland wurde 1998 der Konflikt in der Bürgerkriegsregion weitgehend beendet. Sollte es nach einem Brexit zu Grenzkontrollen kommen, werden erneute Unruhen befürchtet, wie Merkur.de* berichtete. Bei der Auseinandersetzung darüber, ob die britische Region mit der Republik Irland im Süden der Insel vereinigt werden soll, starben zwischen 1969 und 1998 mehr als 3600 Menschen.
L wie LABOUR: Labour hat bei der Parlamentswahl am 12. Dezember 2019 ihr schlechtestes Ergebnis seit 1935 eingefahren und viele ihrer jahrzehntelangen Hochburgen an die Tories verloren - vor allem im Norden des Landes, wo die Menschen beim Referendum 2016 mehrheitlich für einen EU-Austritt gestimmt hatten.
Parteichef Jeremy Corbyn kündigte seinen Rückzug an
. Die Labour-Abgeordneten im Unterhaus wollen nun für eine Überarbeitung des Austrittsabkommens kämpfen. Die Oppositionspartei befürchtet, dass die verbleibende Zeit nicht ausreicht, um ein neues Freihandelsabkommen mit Brüssel auszuhandeln.
Brexit: Was passiert, wenn es keinen Deal zwischen der EU und Großbritannien gibt?
M wie MAY, THERESA: Sie gehörte zu den tragischen Figuren im jahrelangen Brexit-Zoff. Im Juni erklärte die Premierministerin in einer emotionalen Ansprache ihren Rücktritt. Sie hatte zuvor viele Abstimmungsniederlagen im britischen Unterhaus erlitten. Boris Johnson übernahm das Amt - und lieferte.
N wie NO DEAL: Kommt das Austrittsabkommen nicht zustande, läuft der Handel der EU mit Großbritannien nur gemäß den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Zölle und mengenmäßige Beschränkungen müssten eingeführt und deren Einhaltung an den Grenzen kontrolliert werden. Ein solches Szenario könnte nach Ansicht der britischen Notenbank im Königreich die heftigste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg auslösen. Experten befürchten, die Übergangsphase könne zu kurz für einen tragfähigen Handelsdeal sein.
O wie „ORDER, ORDER“: Mit diesem Ruf werden die Abgeordneten im britischen Parlament zur Ordnung gerufen. Der mittlerweile abgetretene Unterhaus-Speaker John Bercow machte den Ausruf zu einem eng mit dem Brexit-Prozess verknüpften Markenzeichen.
Brexit: Was sagt die Queen zum Brexit?
P wie PFUND: Die Währung auf der Insel steht unter Druck. Jeder neue Brexit-Schritt sorgt potenziell für Unsicherheit. Nach Boris Johnsons Wahlsieg - unter der damit vermeintlich gewonnenen Planungssicherheit - stieg das Pfund jedoch spürbar. Die Verhandlungen 2020 könnten jedoch neue Unwägbarkeiten bergen.
Q wie QUEEN: Wie bei allen politischen Themen verhält sich Königin Elizabeth II. neutral. Wenn sie Gesetze zum Brexit absegnet, ist das eine Formalie. Doch ihr Konterfei muss sie für den Austritt hergeben: Kommendes Jahr erscheint aus dessen Anlass eine 50-Cent-Münze.
Brexit: Was passiert mit Schottland?
S wie SCHOTTLAND: Die Schotten gelten als EU-Freunde - beim britischen Brexit-Referendum 2016 hatten sich 62 Prozent der Wähler in Schottland für einen Verbleib ausgesprochen. Nun könnte das Land aus dem UK herausdrängen. Die Scottish National Party hat bei der Parlamentswahl 48 der 59 schottischen Sitze im Unterhaus gewonnen. Den Erfolg der SNP sieht Parteichefin Nicola Sturgeon als klares Mandat für ein neues schottisches Unabhängigkeitsreferendum.
T wie TRUMP, DONALD: Der US-Präsident* begrüßt den nahenden Brexit. Im September hatte Trump gesagt, die USA und Großbritannien arbeiteten bereits an einem "großartigen Handelsabkommen" für die Zeit nach dem Brexit. Großbritannien hofft darauf, durch ein Freihandelsabkommen mit den USA den transatlantischen Warenaustausch zu erhöhen. Dies soll zum Teil den Wegfall europäischer Absatzmärkte durch den EU-Austritt kompensieren.
Ü wie ÜBERGANGSPHASE: Mit dem britischen Austritt aus der EU Ende Januar beginnt eine Übergangsphase bis mindestens Ende 2020. Großbritannien bliebe vorerst noch im Binnenmarkt und in der Zollunion. Die britische Regierung muss bis Juli entscheiden, ob sie die Verhandlungsphase für das Freihandelsabkommen über Ende 2020 hinaus verlängert. Nach den Bestimmungen im Austrittsvertrag ist dies einmal für ein oder zwei Jahre möglich - also bis Ende 2021 oder Ende 2022. Johnson hat eine Verlängerung aber kategorisch ausgeschlossen.
Brexit: Was passiert mit der Wirtschaft Großbritanniens und der EU?
V wie VOLKSABSTIMMUNG: Am 23. Juni 2016 votierten 51,9 Prozent der britischen Wähler für den EU-Austritt. Sollte nun das Brexit-Abkommen scheitern, gilt ein zweites Referendum nicht mehr als unmöglich.
W wie WIRTSCHAFT: Der Brexit wird die wirtschaftliche Lage auf der Insel nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) schwächen - bei einem Austritt ohne Deal sogar massiv: reduziertes Wachstum, höheres Defizit und eine Abwertung des Pfund. In geringerem Maße wären demnach aber auch die EU-Volkswirtschaften betroffen. Britische Airlines sorgen sich bereits um ihre Geschäfte.
X wie XENOPHOBIE: Ressentiments gegenüber Ausländern und Einwanderern haben eine große Rolle im Votum der Briten über den EU-Austritt gespielt. Sollten am Ende EU-Bürger weiterhin ungehindert ins Königreich kommen können, würde das viele enttäuschen.
Y wie YELLOWHAMMER: Mit der Operation „Yellowhammer“, dem englischen Begriff für „Goldammer“, bereitet sich die Regierung auf einen „No Deal“ (siehe N) vor.
Z wie ZOLLUNION: In dieser Zone sind Binnenzölle abgeschafft, Zölle gelten nur gemeinsam nach außen. Derzeit gehört der Zollunion neben der EU unter anderem auch die Türkei an. Ein britischer Austritt zöge unweigerlich Kontrollen zwischen Irland und Nordirland nach sich.
Ein Referendum, ein Austritt und eine Grenze auf der irischen Insel. Was verändert der Brexit konkret und welche Auswirkungen hat er?
dpa/AFP/mas/fn
*Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.