Atomkraft nur für den Notfall – wie lassen sich Habecks Pläne erklären?

Die Schließung der deutschen Atomkraftwerke wurde nun lange angekündigt und Atomkraftgegner freuten sich. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck scheint andere Ideen zu haben. Aber was heißt Atomkraft „nur im Notfall“?
Eigentlich sollten zum Ende des Jahres die letzten, deutschen Atomkraftwerke vom Netz gehen, doch unverhofft kommt oft: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck möchte die Reaktoren angesichts der aktuellen Situation doch weiter in Betrieb lassen. Mit diesem Konzept möchte der Grünen-Politiker für ausreichend Energie, in Zeiten von Gasmangel, sorgen. Doch diese Vorgehensweise wirft einige Fragen auf – wie lassen sich seine Atomkraftwerk-Pläne erklären?
Alte AKWs als Reserve für die Winterzeit – im Winter 2023/24 keine Einsatzreserve mehr nötig
Es wird von einer „Einsatzreserve“ gesprochen. Falls nötig, sollen die Kraftwerke Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg im Winter für zusätzlichen Strom sorgen. Die bereits älteren Kernkraftwerke sollen dafür jedoch keine neuen Brennstäbe erhalten und auch nur bis spätestens April kommenden Jahres zur Verfügung stehen. Im Winter 2023/24, so meint das Wirtschaftsministerium, sei keine Einsatzreserve mehr nötig.
AKW doch noch im Einsatz? Wie und wann würde die Strom-Reserve zum Einsatz kommen?
Die Einsatzreserve der Kraftwerke ist nur ein Teil der Maßnahmen des Wirtschaftsministeriums, die für die Gewährleistung einer ausreichenden Stromversorgung im kommenden Winter, sorgen sollen. Die Kraftwerke und Stromleitungen sollen generell besser genutzt werden. Das Ministerium möchte die Kernkraftwerke allerdings nur dann einsetzen, wenn eine konkrete „Gefahr der Versorgungssicherheit“ besteht. Kommt es im Winter also zu einem Mangel an Energie, so werden die Atommeiler wieder angefahren.
Kombination aus verschiedenen Umständen führt zur Planung einer AKW-Einsatzreserve
Was zum Gasmangel hinzukommt ist, dass Steinkohlekraftwerke nicht mehr so viel Strom produzieren können, weil sie aufgrund des anhaltenden Niedrigwassers nicht mehr ausreichend Brennstoff über die Gewässer geliefert bekommen. Außerdem wird angenommen, dass im Winter, aufgrund der hohen Gaspreise, vermehrt Heizlüftern eingesetzt werden, die Strom benötigen. Schalten sich dann noch französische und deutsche Kraftwerke ab, könnte es unter diesen Umständen zu einem Energie-Versorgungsengpass kommen. Diese Umstände führten zur Planung der Einsatzreserve.
Könnte Personalmangel in den Atomkraftwerken die Pläne kippen?
Es stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch genug Personal für eine Reserve gibt. Denn es steht bereits seit vielen Jahren fest, dass Ende 2022 die Kraftwerke geschlossen werden. Die Unternehmen haben sich darauf vorbereitet und Ende Juli sagte der Vorstandschef des Energiekonzerns EnBW, Frank Mastiaux, dass es für die mehr als 700 Beschäftigten im aktiven Kraftwerksbetrieb Umschulungen und Frühpensionierungen geplant seien. EnBW ist auch der Betreiber des Kernkraftwerks in Neckarwestheim. EnBW und Eon, der Betreiber von Isar 2, wollen nun prüfen, ob ein Reservebetrieb von ihrer Seite organisatorisch überhaupt machbar ist.
Welche Kosten bringt der Reservebetrieb mit sich?
Auf die Frage, was der Reservebetrieb der Kraftwerke kostet, nennt das Ministerium keine genaue Summe, hält die Kosten für das Vorhalten von Personal und Technik aber für „überschaubar“. Die anfallenden Kosten sollen vom Staat übernommen werden. Verbraucher sollen damit nicht belastet werden.
Wie steht es um die Sicherheit der Kraftwerke? Ist eine Verlängerung unbedenklich?
Bei allen drei Atommeilern gab es zuletzt 2009 eine Periodische Sicherheitsüberprüfung (PSÜ). Nach dem Atomgesetz muss eine PSÜ, bei der die AKW über viele Monate intensiv untersucht werden, in der Regel alle zehn Jahre gemacht werden. Doch bei den drei deutschen Kraftwerken wurde die eigentlich für 2019 anstehende Prüfung, mit Blick auf den Abschalttermin am 31. Dezember 2022, ausgesetzt.
Die AKWs könnten mit „nicht erkannten Defiziten weiterlaufen“
Die Kernkraftwerke könnten bei einer Verlängerung „mit nicht erkannten Defiziten weiterlaufen“, gab das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung bereits vor der Bekanntgabe der Stresstest-Ergebnisse zu bedenken. Das Bundesamt gab ebenfalls bekannt, dass Staat und Gesellschaft entscheiden müssten, „ob sie für den Vorteil der Energieerzeugung die Risiken eines katastrophalen Unfalls tragen wollen“.
Deshalb ist das AKW im Emsland nicht in die Reservepläne integriert
Im Süden Deutschland soll es weniger Alternativen zur Atomkraft geben, als im Norden. Deshalb, erklärt Habeck, werden die Kraftwerke im süddeutschen Raum im Notfall weiterbetrieben und das AKW im Emsland nicht. Im Norden soll es mehr Strom aus erneuerbaren Energien geben - aus Wind und Sonne produziert. In Bayern soll es außerdem auch noch an Netzverbindungen mangeln. Schwimmende Ölkraftwerks-Schiffe könnten im Norden ebenfalls noch zum Einsatz kommen.