1. echo24
  2. Region

Unerträgliche Isolation in Pflegeheimen: Corona-Maßnahmen sind kaum auszuhalten

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Daniel Hagmann

Kommentare

Wegen des Coronavirus werden Bewohner in Pflegeheimen zum Schutz isoliert. Die Maßnahmen der Regierung sind für die Senioren und Angehörige unerträglich.

Es ist eine Situation, die noch bis vor Kurzem für niemanden vorstellbar war. Und die doch für alle Beteiligten kaum zu ertragen ist. Im Februar wird der Vater von Beate Donau positiv auf das Coronavirus getestet. Der 85-Jährige lebt in einem Pflegeheim im Landkreis Heilbronn, wo mehrere Bewohner an Covid-19 erkranken. Trotz einer Lungenentzündung erholt sich der Senior in der Lungenklinik in Löwenstein gut vom Sars-CoV-2-Virus. Drei Wochen befindet er sich dort auf der Isolierstation. Doch nun, zurück im Pflegeheim nördlich von Heilbronn, geht die Isolation für den Vater zweier Töchter weiter. Beate Donau hat ihren Vater seit zwei Monaten nicht mehr gesehen.

"Mein Vater ist dement - und nun in seinem Zimmer im Pflegeheim eingeschlossen", erklärt die Frau aus Aglasterhausen. "Sein einziger Kontakt sind die Pfleger. Vor seiner Coronavirus-Erkrankung haben meine Schwester und ich unseren Vater fünf Mal in der Woche besucht. Er war sogar beim Einkaufen und im Garten mit dabei." Das Problem nun ist allerdings: Beate Donaus Vater ist Dauerausscheider. Das bedeutet, dass der 85-Jährige nun offenbar weiterhin das Coronavirus Sars-CoV-2 reproduziert - und ausscheidet. Allerdings ist unklar, ob er auch weiterhin für andere Menschen ansteckend ist."

Pflegeheim im Landkreis Heilbronn: Maßnahmen gegen Coronavirus machen Menschen vor Isolation krank

Donau betont: "Schon für unsereiner ist die Situation, derzeit zu Hause zu bleiben, nicht einfach." Gerade am Mittwoch hat die Bundesregierung das derzeit geltende Coronavirus-Kontaktverbot bis einschließlich 3. Mai verlängert. "Aber die Mehrheit der Menschen darf wenigstens noch raus, kann die Sonne im Gesicht spüren. Mein Vater kann das nicht. Er ist den ganzen Tag allein, in seinem Zimmer im Pflegeheim isoliert."

Donau hat Verständnis dafür, dass es für die Bewohner von Pflegeheimen als besondere Risikogruppe in der Coronavirus-Zeit spezielle Schutzmaßnahmen geben muss. Ist es allerdings der richtige Weg, dass, wie im Pflegeheim ihres Vaters im Landkreis Heilbronn, alle Menschen über sieben Wochen hinweg in ihren Zimmern bleiben müssen? Lange gab es wegen des Coronavirus keine sozialen Kontakte zwischen den Heimbewohnern untereinander. Ihr Vater bleibt, aufgrund seiner Rolle als Dauerausscheider, im Gegensatz zu anderen Heimbewohnern, aber weiterhin von diesen getrennt.

Wie Beate Donau und ihre Schwester in den gelegentlichen Telefonaten mit ihrem Vater in einem Pflegeheim im Landkreis Heilbronn bemerkt haben, verschlechtert sich dessen Gesundheitszustand in der Isolation immer mehr. Oftmals ist er zu schwach, den Telefonhörer zu halten. Sie fragt: "Ist es der Schutz vor dem Coronavirus wert, dass sich der psychische Zustand der Heimbewohner immer weiter verschlechtert - und dadurch die Grunderkrankungen der Menschen immer akuter werden? Hier muss man definitiv ansetzen und Lösungen erarbeiten. Denn die aktuelle Entwicklung, die ja die Gesundheit zurecht an die erste Position stellt, führt genau an diesem Ziel vorbei."

Maßnahmen gegen Coronavirus: "Monatelange Isolation ist unzumutbar"

Verena Bentele, Vorsitzende des Sozialverbands VdK, hat gegenüber der Tagesschau erklärt, dass es definitiv wieder Möglichkeiten geben muss, wie Bewohner von Pflegeheimen auch in der Coronavirus-Zeit wieder Besuche empfangen können. "Beispielsweise, indem Besuche mit mehr Abstand stattfinden, in größeren Räumlichkeiten oder in Schutzkleidung." Sie erklärt ganz klar: "Monatelange Isolation ist unzumutbar." Eine mögliche generelle Ausgangssperre für Senioren wegen des Coronavirus scheint aus sozialen, rechtlichen und auch psychischen Gründen ebenso widersinnig.

Maßnahmen gegen Coronavirus in Pflegeheimen im Landkreis Heilbronn kaum zu ertragen
Für viele Menschen in Pflegeheimen sind die Pfleger in der Zeit des Coronavirus der einzige soziale Kontakt - obwohl Angehörige sie besuchen möchten. © Christian Charisius/dpa

Auch mit Schutzkleidung ist es Beate Donau untersagt, ihren Vater zu besuchen. Die Sorgen um ihn sind für sie und ihre Schwester kaum auszuhalten. Donau: "Wie soll das Leben für meinen Vater weitergehen? Soll er seinen Lebensabend wegen des Coronavirus wie ein Tier eingesperrt und nicht in Frieden mit seinen Angehörigen verbringen können? Es geht ihm täglich schlechter. Wenn wir nicht bald zu ihm können, verlieren wir ihn jeden Tag ein bisschen mehr." In Bretten, 50 Kilometer von Heilbronn entfernt, hat es ein Pflegeheim besonders schlimm erwischt: Dort sind drei Viertel der Bewohner mit dem Coronavirus infiziert - und 28 Menschen sind bereits an Covid-19 gestorben.

Beate Donau betont aber auch: "Meine Familie ist leider kein Einzelfall. Es geht derzeit vielen Bewohnern von Pflegeheimen und deren Angehörigen ähnlich." Wenn die Senioren in Pflegeheimen isoliert vor sich hinsiechen, obwohl Angehörige sich um sie kümmern wollen, dann waren die Maßnahmen gegen Covid-19 letztendlich der Todesstoß für diese Menschen - jedoch nicht das Coronavirus selbst.

Bisher galten Kinder als am wenigstens gefährdete Gruppe für eine Covid-19-Erkrankung. Doch jetzt berichten Kinderärzte von einem seltsamen Syndrom namens Kawasaki bei Kindern. Wie hängen beide Erkrankungen zusammen?

Auch interessant

Kommentare