Rekord-Anzahl an Mogelpackungen gemeldet – „Verbraucher hinters Licht führen“
Im Zuge der Inflation haben viele Hersteller die Preise ihrer Produkte angehoben. Häufig geschieht das aber nicht transparent: Es gibt immer mehr Mogelpackungen.
Das Jahr 2022 war ein Jahr der Inflation: Durch die Energiekrise, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundenen Import-Stopps für Gas und Öl, verteuerte sich das Leben in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt teils erheblich. Bei zwischenzeitlich mehr als zehn Prozent Inflationsrate zogen viele Hersteller die Preise ihrer Produkte teils kräftig an, berichtet kreiszeitung.de.
Doch nicht immer wird an der offensichtlichen Preisschraube gedreht, um die höheren Kosten bei der Produktion wieder reinzuholen. „Shrinkflation“ nennt sich das Phänomen, bei dem nicht der Preis des Produktes steigt, sondern die Verpackungsgröße und damit die Füllmenge sinkt. „Shrinkflation“ ist ein Kofferwort aus dem englischen Wort „to shrink“ (deutsch: „schrumpfen“) und Inflation.
Verbraucherschützer kritisieren versteckte Preiserhöhungen und Mogelpackungen
Das ist für den Verbraucher jedoch problematisch, da eine kleinere Packungsgröße oftmals nicht direkt auffällt. Der Kunde merkt mitunter gar nicht, dass das Produkt damit teurer geworden ist. Kein Wunder, dass Hersteller häufig statt zur Preiserhöhung zur kleineren Packung greifen.
Die Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) behält diese Entwicklung genau im Auge. Sie sammelt Beschwerden von Verbrauchern über Preissteigerungen. Demnach seien in den Monaten August, September und Oktober 2022 mehr als 700 Beschwerden über kleinere Packungsgrößen bei gleichbleibendem Preis bei der Zentrale eingegangen. Die Dunkelziffer könnte hoch sein, vermutet VZHH-Experte Armin Valet: „Was bei uns ankommt und erfasst wird, ist vermutlich nur die Spitze des Eisbergs.“
- Mogelpackungen des Jahres
- 2021: „Paprika Sauce“ von Homann
- 2020: „Frucht Müsli“ von Seitenbacher
- 2019: „Mirácoli“ von Mars
- 2018: „Chipsletten“ von Lorenz
- 2017: „Vitalis Früchtemüsli“ von Dr. Oetker
- 2016: „Evian Wasser“ von Danone Waters
Auf Basis der Einsendungen erstellt die Hamburger Verbraucherzentrale einmal im Jahr eine Liste mit fünf besonders dreisten Fällen von versteckter Preiserhöhung. Sie lässt die Verbraucher anschließend im Internet darüber abstimmen, wer den zweifelhaften Titel „Mogelpackung des Jahres“ erhält. Im Jahr 2022 haben sich diese fünf Produkte laut Ansicht der Verbraucherschützer besonders hervorgetan:
Mogelpackung des Jahres 2022: Das sind die Kandidaten
- „Rama“ von Upfield: Optisch habe sich der Becher nicht verändert, doch nun sind statt 500 Gramm nur noch 400 Gramm Streichfett bei einem Preis von 2,18 Euro enthalten. Das sorgt nicht nur für eine Preiserhöhung von bis zu 25 Prozent, sondern auch für eine halbe Million mehr Becher pro 1000 Tonnen produzierter Ware. Und schon in der Vergangenheit geriet der Hersteller für sein Produkt häufig in die Kritik.
- „Leerdammer“ von Lactalis: Hier wurde nicht nur die Füllmengen reduziert, sondern gleichzeitig häufig auch der Preis angehoben. Die Füllmenge reduzierte sich von 160 Gramm auf 140 Gramm, der Preis stieg von 1,99 Euro auf 2,49 Euro – eine Preissteigerung von 43 Prozent.
- „Pringles“ von Kellogg: Im vergangenen Jahr wurde der Preis gleich doppelt angehoben: Zunächst von 2,59 Euro auf 2,79 Euro, gegen Ende des Jahres noch einmal auf 2,99 Euro. Gleichzeitig sank die Füllmenge von 200 Gramm auf 185 Gramm. Das macht unterm Strich einen Aufschlag von 25 Prozent. Die Marke „Pringles“ war in der Vergangenheit schon häufiger von versteckten Preiserhöhungen betroffen gewesen.
- „Calgon“ von Reckitt Benckiser: Statt nur 46 Waschladungen für eine Packung (8,99 Euro) verspricht der Hersteller nun ganze 50 Waschladungen. Allerdings hat sich die Dosierungsempfehlung des Wasserenthärters geändert, sodass Verbraucher nun 30 statt 21 Gramm Pulver pro Waschgang verwenden sollen. Die Preiserhöhung beträgt damit 42 Prozent. Zudem bemängelt die VZHH, der Hersteller widerspreche sich in seinen Stellungnahmen zur Preiserhöhung.
- „Goldbären“ von Haribo: Auch die beliebten Goldbären sind betroffen: Die Füllmenge der Tüten ist von 200 Gramm auf 175 Gramm bei gleichbleibenden 99 Cent Verkaufspreis gesunken. Auch viele weitere Produkte des Süßwarenherstellers aus Bonn sind betroffen. Bei den Goldbären beträgt der Aufschlag damit 14 Prozent – und zwischen 500 und 1000 Tüten mehr Abfall pro Tonne Fruchtgummis.
Abstimmen können Verbraucher über die Webseite der Verbraucherzentrale Hamburg bis zum 22. Januar 2023. Das Ergebnis soll am 23. Januar bekanntgegeben werden. Ihre Stimme können Sie HIER abgeben.
Verbraucherschützer kritisieren Praktiken der Hersteller und sehen die Politik in der Pflicht
Die Verbraucherschützer kritisieren die Geschäftspraktiken der Hersteller: „Die derzeitigen Gesetze geben Unternehmen viel Freiraum, um Verbraucherinnen und Verbraucher hinters Licht zu führen“, sagt Valet. In anderen Nationen – etwa in Brasilien – sei das anders: Dort müssen Hersteller auf den Verpackungen über neue Füllmengen und Verpackungsgrößen informieren sowie die alte und die neue Füllmenge samt prozentuale Schrumpfung angeben. Und das für mindestens sechs Monate nach der Anpassung.
Valet fordert konkrete rechtliche Vorgaben für die Reduzierung der Füllmengen und sieht die Politik in der Pflicht. Zudem plädiert er für strengere Regeln bezüglich des Luftanteils von Verpackungen: „Packungen müssen grundsätzlich voll befüllt sein.“