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Elektro-Genesis G80 im Alltagstest: Schneller als ein Porsche Taycan

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Von: Rudolf Bögel

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Genesis Electrified G 80 blau
Luxus-Limousine als Verbrenner oder Stromer. Mit dem G80 greift Genesis jetzt das Luxus-Segment an, das von den Deutschen dominiert wird. © Dominic Fraser / Genesis

Mit dem G80 fordert Genesis, die Nobelmarke von Hyundai, die deutschen Luxushersteller heraus. Zum Kampfpreis und mit hoher Qualität. Sogar als Elektroauto.

An der Spitze ist es einsam. Das wusste schon Hollywood-Star Judy Garland. Aber das war einmal. Zumindest was die Luxus-Liga bei den Autoherstellern angeht. Mercedes S-Klasse gegen 7er BMW – ein echter Klassiker: Mal überholten die Münchner die Stuttgarter, manchmal war der Stern einsame Spitze. Die E-Revolution ändert jedoch alles. Plötzlich drängen auch andere Hersteller nach oben. Ob der Elektropionier Tesla, der schon fast zum Establishment zählt, oder das neue kalifornische Edel-Startup Lucid. Nicht zu vergessen die koreanische Nobelmarke Genesis – sie alle versuchen sich an der prestigeträchtigen und wirtschaftlich besonders lukrativen Oberliga. Mit dem G80 greift die Hyundai Motor Company direkt nach der Spitze. Erst mit zwei Verbrennern und jetzt auch rein elektrisch (hier geht’s zum ersten Test).

Genesis Electrified G 80 blau Heckansicht
Auspuff vergeblich gesucht. Der Gernesis Electrified G80 braucht so etwas natürlich nicht mehr. © Dominic Fraser / Genesis

„Ist das ein Cadillac?“, will der Passant wissen

Ganz in Weiß steht der Nobelhobel auf der Straße. „Ist das ein Cadillac?“, mutmaßt der interessierte Passant. „Genesis – nie gehört“, sagt er mit bewunderndem Blick. Genesis kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Ursprung oder Geburt. Die Bibel beschreibt in der Genesis 1,1 die Frühgeschichte der Menschheit. „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde…“ Und so weiter. Was die Hyundai Motor Company dazu bewogen hat ihre Edelmarke Genesis zu nennen? Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Der G80 von Genesis jedenfalls ist das Flaggschiff der Koreaner. Knapp fünf Meter lang und mit einem Radstand von knapp über drei Metern hat er zwar sehr ordentliche Dimensionen, aber an den Mercedes EQS oder an den i7 von BMW reicht er nicht heran. Die haben jeweils mindestens 20 Zentimeter mehr, was vor allem den Passagieren im Fond zugutekommt.  Auch beim Kofferraumvolumen muss der G80 Federn lassen. Mickrige 345 Liter stehen hier zur Verfügung. Das passiert, wenn man einen reinen Verbrenner (der hat immerhin noch 424 Liter) auf Elektro umstrickt. Und so muss ein Teil der Wochenend-Einkäufe dann auf den Rücksitzen Platz nehmen, weil der Kofferraum leider schon voll ist.

Genesis Electrified G 80 Armaturenbrett
Präszise Verarbeitung, feine Materialien. Der Genesis G80 kann im Premium-Segment locker mithalten. © Genesis

Wo sind denn nur die Bässe geblieben?

Das ist Ärgernis Nummer 1. Doch der zweite Streich folgt sogleich, wenn man guten Sound sucht. Es mag sein, dass die Firma Lexicon ein gefeierter Hi-End-Spezialist ist, aber irgendwie haben sie auf dem Weg vom Studio ins Auto die Bässe verloren. Dampfradio ohne Dampf. Schade, ein Elektroauto ist nämlich der perfekte Ort für ungetrübten Musikgenuss, weil die gut gedämmte Karosserie so gut wie keine störenden Außengeräusche zulässt. Aber jetzt genug gemeckert. Wer mehr aus dem Sauertopf will, muss hier aufhören zu lesen. Denn der Genesis ist ansonsten eine sehr gute und ziemlich perfekte Reiselimousine. Schon allein das adaptive Fahrwerk, das eigene Kamerabilder und GPS-Daten auswertet, um die Stoßdämpfer präventiv und komfortabel für die Passagiere einzustellen, ist ein Genuss. Und dann erst die majestätische Stille im Auto, Schweben leicht gemacht.

Genesis G 80 grau Benziner
Im Unterschied zur Elektro-Variante hat der G80-Benziner einen offenen Kühlergrill. Als Langstreckenauto ist er besser geeignet. © Genesis

Electrified G80 - schneller als der „kleine“ Porsche Taycan

Angetrieben wird der G80 von zwei zugkräftigen Elektromotoren (jeweils 136 kW oder 185 PS), von denen einer auf der Hinterachse werkelt und der andere auf der Vorderachse – Allradantrieb. Wenn beide E-Maschinen aufdrehen, heißt es: Hurra, die Gams (O-Ton Süd „die Gemse“)! Da geht der G80 so ab wie ein Porsche Taycan, allerdings nur das einmotorige Einstiegsmodell. In atemberaubenden 4,9 Sekunden zeigt der dreidimensionale und schicke Digital-Tacho Tempo 100 (der kleinste Taycan braucht dazu 5,4 Sekunden). Das ist Achterbahn, aber ganz ohne Rattern. Im Sportmodus fegt der G80 zugkräftig durch die Gegend, auch in den Kurven macht er eine ordentliche Figur, wobei das nicht die eigentliche Bestimmung dieser Luxuslimousine ist.

Genesis Electrified G 80 Detail Lenkrad
Leder, Aluminium, Holzdekor. Bei der Verarbeitung nimmt man es bei Genesis ganz genau. Da können die Koreaner locker mit den Deutschen mithalten. © Genesis

Aufladen in 22 Minuten – das macht Spaß

Bis zu 520 Kilometer soll das Reise-Auto mit der 87,2 kWh-Batterie schaffen – die Praxis belehrt uns eines Besseren. Zugegeben, die Testfahrten fanden im heißen Sommer 2022 statt, da mag die Klimaanlage auch im Eco-Betrieb einiges aufgesaugt haben, aber wenn wir unsere Verbrauchwerte zugrunde legen, dann kommen wir beim besten Willen nur auf 400 Kilometer. Abzüglich der letzten 50 Angstkilometer, die wir lieber drin lassen, weil man ja oft nicht weiß ob die nächsten Ladesäulen besetzt oder kaputt sind, muss man spätestens nach 350 Kilometer auftanken. Das erledigt der G80 dafür mit Bravour – dank des 800 Volt-Bordsystems der Hyundai Motor Group mit bis zu 350 kW oder 22 Minuten von 10 auf 80 Prozent. Für lange Strecken ist das eher umständlich. Wer häufig unterwegs ist, der kann auch Genesis fahren, sollte aber auf den G80 2,5 T AWD umsatteln. Mit 304 PS und 422 Nm macht der Benziner auch Spaß, dafür ist der in wenigen Minuten wieder voll betankt. Kostet mit Hinterradantrieb und Premium-Ausstattung 50.700 Euro und ist damit um fast 20.000 Euro günstiger als der Electrified G80 mit der etwas besseren Luxury-Line.

Genesis Electrified G 80 Detail Solardach
Mit dem Solardach holt sich der Genesis G80 Electrified bis zu 1.500 Kilometer Reichweite jährlich. © Genesis

Hinstellen, warten – dann geht die Heckklappe automatisch auf

Wie üblich bei Genesis haben sie auch beim G80 ein paar nette elektronische Gimmicks eingebaut. Die Heckklappe zum Beispiel öffnet sich bei Bedarf wie von Geisterhand. Da muss man nicht wie bei anderen Herstellern auf einem Bein stehend peinlich unter die Heckschürze treten. Man platziert sich einfach 50 bis 100 Zentimeter hinter dem Kofferraum, kurzer Warnblinker, dann schwingt die Klappe nach oben. Magisch. Eine gute Idee ist auch das optional erhältliche Solardach. Für 1.610 Euro holt man sich damit zwischen 1.000 und 1.500 Kilometern zusätzliche Reichweite. Jährlich. Das ist fein – denn die Sonne schickt keine Rechnung.

Genesis Electrified G 80 blau Vehicle to load Espressomaschine
Lust auf einen Espresso unterwegs. Kein Problem, den Strom holt sich die Maschine direkt aus der Batterie des G80. © Genesis

Unser Fazit zum Electrified Genesis G80

Ob es die Vehicle-To-Load Funktion hingegen braucht, mit der man allerlei Gerät vom Bordnetz aus elektrisch betreiben kann, ist die große Frage. Interessant wäre das hauptsächlich für Elektro-Fahrräder. Aber ähnlich wie beim G80 ist auch bei der E-Variante keine Zuglast erlaubt. Das heißt, die E-Bikes kann man schon mal nicht auf einem Fahrradträger an der Anhängerkupplung unterbringen. Es sei denn man transportiert sie auf umständlich auf dem Dach, dort sind immerhin 100 Kilogramm erlaubt. Aber vielleicht will man beim Picknick im Grünen ja seinen eigenen Espresso ausschenken? Oder Eiswürfel machen? Der Adapter dazu wird ebenso wie der Ladestecker über eine verborgene Aussparung im Kühlergrill angeflanscht. Das ist ein feines Gimmick – nicht mehr und nicht weniger. Kaufentscheidend dürfte beim G80 eigentlich nur ein Kriterium sein. So viel Premium bekommt man nirgendwo sonst für so wenig Geld. Rudolf Bögel

Technische Daten Genesis G80 2,5 T AWD

Genesis Electrified G80

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