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Aus Omas Medizinschrank: Expertin warnt – so leicht kommen Jugendliche an Drogen

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Auf einem Beipackzettel liegen eine handvoll Tabletten. Auf dem Papier steht: „Lesen Sie die gesamte Packungsbeilage sorgfältig durch, bevor Sie mit der Anwendung dieses Arzneimittels beginnen, denn sie enthält wichtige Informationen“.
Sie sehen harmlos aus können aber im Zusammenhang mit anderen Stoffen ziemlich gefährlich werden: Benzodiazepine werden unter Jugendlichen immer beliebter. © Arnulf Hettrich/Imago

Immer häufiger werden Medikamente wie Benzodiazepine wegen ihrer teils beruhigenden, euphorisierenden Wirkung missbraucht. Besonders Jugendliche rutschen schnell in die Abhängigkeit.

Der missbräuchliche Konsum von Medikamenten steigt über die letzten Jahre stark an, und das besonders bei Kindern und Jugendlichen. Doch harmlos aussehende Tabletten können bei falschen Gebrauch sogar tödlich enden. Im Jahr 2022 starben in Baden-Württemberg 197 Menschen aufgrund von Drogen, 45 davon wohl aufgrund eines Mischkonsums des Stoffes Benzodiazepin und anderen Stoffen wie Alkohol und Opioiden – starken Schmerzmitteln. Im Gespräch mit echo24.de berichtet die Jugend- und Suchtberatungsstelle Heilbronn von dem Konsum unter Jugendlichen.

Benzodiazepin als Droge bei Jugendlichen – was ist das eigentlich?

Benzodiazepin ist ein angstlindernder und beruhigender Stoff, der laut „drugcom.de“ vor allem Angststörungen, Erregungs-, Spannungs- und Unruhezustände sowie psychotische Symptome lindern kann. Außerdem wird der Wirkstoff auch als Beruhigungsmittel vor operativen Eingriffen, bei epileptischen Anfällen, Tetanus und Fieberkrämpfen eingesetzt.

Missbraucht wird der Stoff meist von Menschen, die ihre negativen Gefühle oder Depressionen auf irgend eine Art lindern wollen oder einfach einen „gechillten“ Rausch suchen. Bei dem Versuch, die Tabletten wieder abzusetzen, können die betäubten Gefühle laut der Website „drugcom“ jedoch noch stärker als zuvor zurückkehren. So gelangen Konsumenten oft schnell in eine Art Teufelskreis, bei dem es nur noch um das Betäuben negativer Gefühle geht.

Zahl der medikamentenabhängigen Jugendlichen in Deutschland steigt an

Laut dem Bundesgesundheitsministerium sind in Deutschland etwa 2,3 Millionen Menschen medikamentenabhängig. Als alkoholabhängig gelten hingegen „nur“ etwa 1,6 Millionen Menschen. „Während die Verschreibungen bei Erwachsenen seit einigen Jahren sinken, steigen sie bei den Jugendlichen an“, berichtet der „MDR“ über die ärztliche Verschreibung von Benzodiazepinen.

Privatpatienten, die ihre Medikamente selbst bezahlen, seien in dieser Statistik der gesetzlichen Krankenkassen noch gar nicht erfasst. Die Dunkelziffer ist also wesentlich höher.

Wie Jugendliche an Drogen kommen – von Dealern bis zum Medizinschrank der Großeltern

Doch die meisten Abhängigen besorgen sich den Stoff illegal, weshalb es hierzu auch keine Zahlen gibt. Im Gespräch mit echo24.de antwortet Katharina Herrmann, Mitarbeiterin der Jugend- und Suchtberatung Heilbronn, auf die Frage, wie genau Betroffene an die Medikamente gelangen: „Einige fahren nach Frankfurt, andere fragen Freunde aber viele finden starke Medikamente auch besonders bei den Großeltern im Medizinschrank“. Generell seien viele der Jugendlichen „total informiert und haben sich eingelesen“, wenige andere würden „einfach probieren was das ist.“

Medikamentenmissbrauch von Jugendlichen – schon lange ein Problem?

Dass immer mehr Jugendliche Benzos nehmen würden, sieht Katharina Herrmann nicht als neues Problem, die Tabletten wären schon vor einigen Jahren immer beliebter geworden. Grund dafür sei unter anderem die Risikofreude unter Jugendlichen, neues auszuprobieren. Viele würden die Tabletten nicht als Droge sondern nur als Medikament ansehen, die tödlichen Folgen werden mehr oder weniger ignoriert und nicht ernst genommen.

Auch Texte aus der Musik, besonders im Deutschrap, würden stark auf Benzos und weitere Medikamente wie beispielsweise Tilidin, ebenfalls ein starkes Schmerzmittel, aufmerksam machen und diese verharmlosen. Mit Textzeilen wie „Benzo manchmal schlecht, doch Benzo manchmal gut“ oder „Gib mir Tilidin, ja, ich könnte was gebrauchen“ wird der Missbrauch der Medikamente in der Musikszene ständig thematisiert und fast schon normalisiert. Die meist junge Zielgruppe der Musiker wird so schon früh auf falsche Art und Weise mit der Thematik konfrontiert.

Steigender Medikamentenmissbrauch unter Jugendlichen – Aufklärung ist wichtig

Mit der steigenden Bekanntheit von starken Medikamenten ist es besonders wichtig, Kinder früh genug über die Auswirkungen und Probleme, die der Konsum mit sich ziehen kann, zu informieren. Dafür sollte vermehrt Aufklärungsarbeit betrieben werden, die sowohl von Seiten der Eltern als auch von Schulen stattfinden. Es ist wichtig, Kinder früh genug über die Auswirkungen und Probleme die der Konsum mit sich ziehen kann zu informieren.

Verändert sich das Verhalten von Kindern und Jugendlichen stark, könnte dies auf ein Problem aufmerksam machen. „Dazu gehören etwa, wenn sich ein Kind zurückzieht, es Schlafstörungen oder keinen Appetit hat, Probleme in der Schule oder Berufslehre hat, oder wenn es sich mit Freunden trifft, welche Medikamente oder andere Substanzen konsumieren“, heißt es auf der Seite „hebsorg“. Es sei besonders wichtig, dass Eltern oder Angehörige bei Auffälligkeiten sofort reagieren und mit ihrem Kind das Gespräch suchen.

Heilbronner Jugend- und Suchtberatung

Auch in Heilbronn gibt es Anlaufstellen für Suchtprobleme. Die Jugend- und Suchtberatungsstelle Heilbronn bietet Unterstützung und Beratung für „alle Menschen jeglichen Alters, die Suchtprobleme haben, egal ob mit Alkohol, Drogen, Medikamenten oder Glücksspiel, aber auch bei Computer- und Mediensucht“. Die Beratung ist außerdem kostenlos und vertraulich, offene Sprechstunde ist jeden Mittwoch von 14 bis 16:30 Uhr.

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