Mit TikTok-Trends und Tanzvideos? Ziehl-Abegg wirbt um junge Fachkräfte

Wenn es um die Gewinnung neuer Fachkräfte geht, setzt der Ventilatorenhersteller Ziehl-Abegg auf kreative Ideen: Der TikTok-Kanal der Firma sorgt nicht nur für witzige Videos, sondern auch für frischen Wind im Unternehmen.
Mit TikTok zum Erfolg – davon träumen doch nur Influencer? Nicht ganz! Das Maschinenbau-Unternehmen Ziehl-Abegg aus Künzelsau macht‘s vor und nutzt die Plattform vor allem für eins: um junge Fachkräfte für die Firma zu gewinnen. Bisher gab es auch schon eine Menge Klicks, Views und Follower. Doch was bringt das Projekt der Firma wirklich?
Steigende Verkaufszahlen von Industrie-Ventilatoren schon mal nicht, so viel ist klar. Aber: Durch die neue Reichweite werden plötzlich junge Menschen auf die Firma aufmerksam, die vorher vielleicht gar nicht an das Unternehmen gedacht haben. Potenzielle Fachkräfte also, die Ziehl-Abegg gut gebrauchen kann. Generell ist der steigende Fachkräftemangel in den südwestlichen Provinzen des Landes ein akutes Thema. Gut, dass Rainer Grill, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit, da zu helfen weiß.
TikTok als Teil der Unternehmenskommunikation von Ziehl-Abegg: Wie ist die Idee entstanden?
Mit einem Bären-Video auf dem privaten TikTok-Account von Rainer Grill fing alles an. Vor etwa drei Jahren entstand die Aufnahme auf einer Urlaubsreise durch Rumänien. Trotz der wenigen Follower merkte der Pressesprecher sofort: Das Video gewinnt an Reichweite und wird in kurzer Zeit fast 300-mal angesehen. Um den Unternehmensvorstand von der Idee zu überzeugen, brauchte es schließlich gerade mal fünf Minuten.

Schon nach kurzer Zeit entstand somit das eigene TikTok-Kernteam, bestehend aus Rainer Grill, Rebecca Amlung und Sophie Grill. Seit etwa zwei Jahren arbeitet das TikTok-Trio nun am Firmen-Kanal, die aktuelle Bilanz: mehr als 97.000 Follower, 2,6 Millionen Likes und 64,5 Millionen Views. Das erfolgreichste Video wurde fast zwei Millionen mal angesehen.
Von vielen Hochschulen wird das Modell aufgrund des funktionierenden Konzepts, Unterhaltung mit „Employer-Branding“ zu verbinden, als Best-Practice-Beispiel gehandhabt - kein anderes B2B-Unternehmen kommt im deutschsprachigen Raum auf so viel Reichweite.
Mit Boss-Pranks zu neuen Fachkräften
Aktuell werden bis zu fünf Videos pro Woche auf dem Kanal hochgeladen. Ein Dreh kann dann schon mal zwei bis drei Stunden dauern, dafür entstehen dann aber meistens auch gleich mehrere der witzigen Videos. „Der Ansatz von uns war, dass wir TikTok erst nach Dienstschluss machen.“, verrät Rainer Grill echo24. „Wir haben ja nicht gewusst, dass wir mal so erfolgreich sein werden.“ In erster Linie ging es nämlich darum, Spaß an der Sache zu haben.
Die Clips dürfen aber nicht nur witzig sein, sondern sollen eben auch zum Unternehmen passen. Von trendigen Tanzvideos über amüsante Lip-Syncs bis hin zu mutigen Boss-Pranks kann daher fast alles dabei sein. Meist geht es jedoch nicht nur darum, auf aktuelle Trends aufzuspringen, sondern in den 30 Sekunden ein positives Firmen-Image zu transportieren.
Dass das bei den Usern ankommt, zeigt die Kommentarspalte unter den Videos. Dort heißt es mitunter schon mal: „Interessante Firma, habt ihr in eurer Konstruktion noch nen Platz frei?“ oder „Sehr sympathisch. Hier muss ich mich bewerben“. Gesagt, getan? Es soll wohl schon vorgekommen sein, dass Bewerber im Gespräch angegeben hätten, die Firma von TikTok zu kennen. Auch Sophie Grill berichtet von einem Kollegen, der durch die Videos auf das „unschlagbare Betriebsklima“ aufmerksam wurde. Was anfangs also mitunter noch „von Führungskräften und Familienmitgliedern belächelt“ wurde, scheint schließlich doch Früchte zu tragen.
„Der Erfolg kam eher schleichend“
Seinen ersten Promi-Moment hatte Rainer Grill nach ca. einem halben Jahr im TikTok-Business: „Da wurde ich angesprochen: ‚Ich kenne Sie von TikTok‘. Also ich bin ja wirklich nicht auf den Mund gefallen, aber da wusste ich gar nicht, was ich da sagen soll. Da war ich perplex.“ Kurz darauf gab es dann auch schon mal ein Eis für die bekannten TikTok-Gesichter umsonst. Doch „der Erfolg kam eher schleichend“, sagt Sophie Grill gegenüber echo24. Es hätte eben seine Zeit gedauert, bis das Team seinen eigenen Stil gefunden hat.
„Wir haben am Anfang auch nur Videos ohne eigenen Ton gemacht, weil wir Angst hatten, wir kriegen einen Shitstorm, wenn wir mit unserem regionalen Dialekt auf der Plattform unterwegs sind. Irgendwann haben wir es dann probiert und es gab gar keinen.“ Im Gegenteil, viele User freuten sich über die Töne „aus der alten Heimat“.
Und nur wenig später kommt dann auch der ganz große Erfolg. Beim Deutschen Preis für Onlinekommunikation (DPOK) räumt Ziehl-Abegg im Jahr 2022 gleich zwei Preise ab: Das Team gewinnt in den Kategorien „Kampagne mit kleinem Budget“ und „Industrie & Maschinenbau“. Dass es so gut läuft, hätte Rainer Grill an diesem Abend im Leben nicht gedacht: „So muss sich eine Oskar-Verleihung anfühlen.“