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Wann endet Pandemie? Heftiger Streit in BW entbrannt – Minister soll gehen

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Von: Julia Thielen

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Baden-Württemberg lockert die Maßnahmen. Ein Ende der Pandemie soll aber nicht sein. Genau um diesen Punkt streitet man sich aber.

Freedom-Day – zu deutsch: Tag der Freiheit. Er soll im April nach zwei Jahren Pandemie gefeiert werden können. Dann soll der Großteil der Corona-Beschränkungen fallen. Theoretisch auch in Baden-Württemberg. Doch Ministerpräsident Winfried Kretschmann gehörte in der Vergangenheit dem „Team Vorsicht“ an, wie er es selbst nannte. Die entsprechende Gesetzesänderung im Bund kritisierte er deshalb bereits scharf. Dass ausgerechnet sein Gesundheitsminister einen Vorstoß der ganz anderen Art wagte, sorgt nun für einen heftigen Streit, wie echo24.de* berichtet.

Manne Lucha hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in einem Brief aufgefordert, das Ende der Pandemie einzuläuten. Demnach wünschte sich Lucha einen Wechsel in die sogenannte endemische Phase bereits Ende April. Damit würde das Coronavirus fortan genau wie die Grippe in Deutschland gewertet. Nach dem Freedom-Day würden dann nicht nur Beschränkungen, sondern auch Schutzmaßnahmen wegfallen. Es gäbe praktisch keine Tests mehr und auch keine angeordnete Quarantäne.

BundeslandBaden-Württemberg
MinisterpräsidentWinfried Kretschmann
Einwohner11,07 Millionen

Corona BW: Heftiger Streit wegen Pandemie-Ende entbrannt

Luchas Forderung steht im krassen Gegensatz zu den zurückhaltenden Öffnungsplänen von Kretschmann. Dieser hatte sich am Donnerstagabend deshalb von seinem Minister distanziert. Der Brief an Lauterbach sei nicht mit ihm abgestimmt gewesen, ließ Kretschmann erklären. Lucha selbst ruderte am Abend teilweise sogar selbst zurück.

Das Hin und Her der Landesregierung löste derweil einen heftigen Streit aus. SPD und FDP forderten nun sogar den Rücktritt des Gesundheitsministers. „Jetzt ist es 5 nach 12. Dieser Mann ist als Minister nicht mehr zu halten“, sagte SPD-Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart.

Baden-Württemberg: Rücktritt von Lucha gefordert

Wer von Kretschmann in dieser wichtigen Frage keinen Rückhalt mehr habe, müsse gehen. Auch für FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke ist der Minister nicht mehr haltbar. „Eigentlich muss Kretschmann Lucha entlassen, bei so einem Fehltritt. Er hat ihn jetzt jeder Autorität entkleidet“, sagte Rülke der dpa.

Eigentlich muss Kretschmann Lucha entlassen bei so einem Fehltritt. Er hat ihn jetzt jeder Autorität entkleidet

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke gegenüber der dpa

Die SPD behalte sich nun vor, eine Sondersitzung des Landtags zum Thema zu beantragen. Lucha habe in jedem Fall schon oft gezeigt, dass er in der Pandemie „völlig überfordert sei“. Nun habe das mit Verspätung auch der Ministerpräsident erkannt.

Rülke hatte Luchas Vorstoß für ein Ende der Pandemie zunächst begrüßt, sich aber zugleich verwundert gezeigt: Während Kretschmann sich beim Bund beschwere, es fehlten die Instrumente im Kampf gegen die Pandemie, wolle Lucha das Coronavirus wie jedes andere Grippevirus behandeln. Nun sagte der FDP-Politiker: „Das ist ja eine 180-Grad-Wendung, die eigentlich nicht zu erklären ist.“ Aber dann sei mit Kretschmann die zweite 180-Grad-Wende gekommen. „So spielt man sich und das Land schwindelig.“

Pandemie-Ende? Lucha rudert nach Brief an Lauterbach zurück

Luchas Ministerium sieht das anders. Man bedaure, dass das Schreiben an Lauterbach „offenbar einen falschen und irreführenden Eindruck vermittelt“. Es sei „explizit“ nicht darum gegangen, die Pandemie für beendet zu erklären. Auch ein Strategiewechsel im Kampf gegen Corona sei nicht auf der Agenda. Stattdessen sei es Baden-Württembergs Gesundheitsminister um eine Entlastung der Gesundheitsämter gegangen. „Dabei ging es um einen Impuls für eine gemeinsame mittel- und langfristige Perspektive zu einem Zeitpunkt, ab dem die Pandemie sich deutlich abschwächt“, erklärte ein Sprecher.

In dem Brief an Lauterbach schrieb Lucha, die Gesundheitsämter hätten wegen der rasanten Ausbreitung der Omikron-Variante keinen Einfluss mehr auf das Ausbruchsgeschehen. Kontaktpersonen hätten die Infektion oft schon weitergegeben, bevor ihr Status bekannt werde und die Quarantäne greifen könne. Wenn die Gesundheitsämter von diesen überflüssigen Aufgaben entlastet würden, könnten sie sich darauf konzentrieren, Pflegeheime und Krankenhäuser zu beraten, um größere Ausbrüche zu vermeiden oder besser unter Kontrolle zu bringen, erklärte Lucha. Das Infektionsgeschehen solle künftig vor allem mit Hilfe von Meldedaten der Ärzte überwacht werden.

Baden-Württemberg: Kretschmann bleibt auf Pandemie-Kurs

Zuletzt hatte Kretschmann immer wieder betont, die Pandemie sei noch nicht zu Ende. Der Grünen-Politiker zeigte sich verärgert darüber, dass die Ampel-Bundesregierung nahezu alle Corona-Schutzmaßnahmen auslaufen lassen will. Er verwies dabei auf die hohen Inzidenzen. Zuletzt gab es im Südwesten fast 40.000 Neuinfektionen an einem Tag, das entspricht einer 7-Tage-Inzidenz von über 1.900. Wegen der hohen Dunkelziffer dürfte die Inzidenz im Südwesten deutlich höher liegen. Allerdings sind die Intensivstationen der Kliniken bei weiten nicht mehr so belastet, weil die Covid-Erkrankung bei Omikron im Vergleich zur Deltavariante in der Regel milder verläuft. *echo24.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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