Schweizer Atommüll an deutscher Grenze: Gemeinde in Baden-Württemberg betroffen

Nächste Sorge rund um Atomkraft in Baden-Württemberg. Radioaktives Material aus der Schweiz soll an der Grenze aufbewahrt werden. Noch herrscht über Transport und Lagerung Unklarheit.
Erst vor wenigen Wochen äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zur geplanten Laufzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg und das AKW Isar 2 in Bayern, da wächst in einer Gemeinde im Regierungsbezirk Freiburg die Sorge vor den Folgen von Atommüll. Allerdings geht es nicht um die radioaktiven Abfälle aus Deutschland.
Wie die Deutsche Presse-Agentur meldet, hat die Schweiz ein Endlager für Atommüll in unmittelbarer Nähe der deutschen Gemeinde Hohentengen in Baden-Württemberg geplant. Schon seit 2016 ist das drohende Lager für radioaktive Stoffe ein riesen Thema. Damals wetterte eine Gemeinderätin: „Die Schweiz beschließt ihren radioaktiven Müll in der Schweiz zu belassen und setzt ihn uns Nachbarn fast vor die Füße.“
Wie nah kommt der Atommüll an die Grenze zu Baden-Württemberg?
Doch wie nahe kommt das Atommülllager an die Grenze zu Deutschland und Baden-Württemberg? Das ausgewählte Gebiet Nördlich Lägern liegt wenige Hundert Meter hinter der Grenze, sagt der Bürgermeister von Hohentengen, Martin Benz, der dpa. „Der Bahnhof, der für An- und Abtransporte benutzt werden könnte, liegt ein paar Hundert Meter von unseren Wohngebieten entfernt. Wenn der Atommülltransport über die Straße kommt: die ist auch nur 850 Meter weg.“
Warum soll das radioaktive Material an den Grenzen gelagert werden?
In der Schweiz ist man unterdessen sehr zufrieden mit der Wahl des Ortes für das Atommülllager. Dem dpa-Berihct zufolge erklärte die Schweizer Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) dazu: „Der Opalinuston ist dicht, kann allfällige Risse selbst wieder abdichten und bindet radioaktive Teilchen an sich. So schließt er radioaktive Stoffe langfristig ein.“ Diese Voraussetzungen gibt es demnach nur im Grenzgebiet.
Opalinuston
Die Opalinuston-Formation besteht aus recht einheitlichen Tonen und Tonsteinen mit einzelnen Toneisensteingeoden-Lagen. Die Mächtigkeit beträgt zwischen 100 und 120 m.
Für Martin Steinebrunner von der Deutschen Koordinationsstelle Schweizer Tiefenlager (DKST) beim Regionalverband Hochrhein-Bodensee ist es eine gute Sache, dass der radioaktive Müll hier sicher ist. Gegenüber der dpa erklärt er: „Wenn der sicherste Ort ein paar Kilometer weg von der Grenze ist, nehmen wir das hin. Wir haben auch die Schweizer Kernkraftwerke in Grenznähe. Es ist ein Zugewinn an Sicherheit, wenn alles eingelagert ist.“
Welche Mengen an Atommüll sollen an die Grenze zu Baden-Württemberg kommen?
Welche Mengen an radioaktivem Müll werden denn in der Nähe von Baden-Württemberg zu erwarten sein? Die hoch radioaktiven Abfälle aus Atomkraftwerken sowie Medizin, Industrie und Forschung umfassen laut dpa und den Angaben der Nagra 9.300 Kubikmeter. Das entspreche dem Volumen nach etwa acht Einfamilienhäusern. Dazu kommen rund 72.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Die vier verbliebenen Schweizer Atomkraftwerke dürfen betrieben werden, solange sie sicher sind. Das kann bis in die 2040er Jahre gehen.

Wie soll der Transport des Atommülls nahe der Gemeinde in Baden-Württemberg ablaufen?
Was noch unklar ist, wie das Material zum Endlager geschafft werden soll. Die Nagra wollte sich am Montag äußern. Unklar ist auch, wo das Material für die Endlagerung verpackt werden soll. Dafür ist laut dpa eine „Heiße Zelle“ nötig, ein Hochsicherheitsbau. Es könnte am Zwischenlager für atomare Abfälle in Würenlingen rund 15 Kilometer südlich der deutschen Gemeinde Waldshut-Tiengen entstehen.
Die Nagra will bis 2024 ein Baugesuch einreichen, über das Regierung und Parlament entscheiden. Danach dürfte es eine Volksabstimmung geben. Wird der Bau nicht abgelehnt, sollen die Arbeiten 2031 beginnen. Die mehrjährige Einlagerung begänne etwa 2050. Das Lager würde über Jahrzehnte beobachtet und etwa 2125 endgültig versiegelt.